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Melancholische Hoffnung? Hoffnung und Revolution von C.A. Davids beim African Book Festival

Vor dem Book Special, das ich mit C.A. Davids beim diesjährigen African Book Festival Berlin moderieren sollte, war sie etwas zurückhaltend und auf der Suche nach einer zuckerfreien Cola, „für etwas mehr Energie.“ Dieses Verhalten wich zu Beginn unseres Gesprächs schnell einer gelassenen Konzentration. Sie sprach überlegt, während sie die politische Absicht und Stimmung ihres zweiten Romans How to Be a Revolutionary darlegte, der letztes Jahr bei Verso veröffentlicht wurde. Das Buch, eine umfassende Geschichte über Jahrzehnte, Kontinente und Revolutionsgeschichten, wurde bereits von Susann Urban ins Deutsche übersetzt und ist dieses Jahr im Verlag Das Wunderhorn unter dem Titel Hoffnung und Revolution erschienen.

„Politik ist meine erste Liebe“, beginnt Davids und diese Liebe zeigt sich deutlich darin, dass der Roman eine bestimmte politische Zeit und ein bestimmtes politisches Gefühl nachzeichnet: eine Zeit, in der revolutionäre Hoffnungen einer Zukunft weichen, die hinter den Erwartungen zurückbleibt. Es handelt sich um eine komplexe Geschichte, die auf dem Buchumschlag der englischen Ausgabe kurz und bündig beschrieben wird: „Sie verbindet das heutige Shanghai, das Südafrika der späten Apartheid-Ära und China während des Großen Sprungs nach vorn und des Tiananmen-Aufstands – und bricht diese Weltreise und Zeitreise durch [Langston] Hughes‘ beichtende Briefe über seine Zeit in Shanghai [in den 1930er Jahren], die er an einen südafrikanischen Schützling schickt.“ Diese Fäden werden in ihrer Verbindung zu Beth zusammengehalten, einer Frau of Color aus Kapstadt, die, nachdem sie als Highschool-Schülerin für die Anti-Apartheid-Organisation politisiert wurde, eine Position in der demokratischen Regierung des Landes erlangt hat. Als sie einen diplomatischen Posten in Shanghai annimmt, zweifelt sie zunehmend an ihrer anhaltenden Loyalität gegenüber einem südafrikanischen Regime, das im 21. Jahrhundert seine frühen Versprechen gebrochen hat. „Wann hat es angefangen?“ fragt Beth voller Unbehagen, „Diese schleichende, beunruhigende Korruption, die jetzt unaufhaltbar scheint? Wann hat es sich wie eine Fettschicht in unseren Abteilungen und, so schien es, auf allem im Land festgesetzt? Direkt unter meiner Aufsicht?“ (25)

Unser Gespräch beim African Book Festival wandte sich schnell Davids eigener tiefer Desillusionierung über den Zustand der Post-Apartheid-Nation zu. „Ich bin als Person of Color während der Apartheid aufgewachsen,“ sagte sie, „und habe miterlebt, wie sich das Land seitdem entwickelt hat,“ von einer Zeit voller Hoffnung bis zur enttäuschenden Gegenwart. Anhand von Beth und ihrem Shanghaier Nachbarn Huang Zhao, dessen Geschichte auf der des ehemaligen Journalisten Yang Jisheng basiert, untersucht Davids die widersprüchlichen, aber ergreifenden Versuche ihrer Figuren, gleichzeitig politisch und persönlich der Idee einer veränderten Gesellschaft verpflichtet zu bleiben und sich mit Fragen der Komplizenschaft, des Verrats und der Ernüchterung auseinandersetzen zu müssen, wenn die angestrebten Veränderungen nicht ganz erfüllt werden oder wenn die Revolution mit einem zu hohen Preis verbunden ist.

Für einen Roman, der in seiner Breite und Komplexität so verblüffend ist, behält er bei der Entwicklung der Charaktere eine Intimität und Sorgfalt bei, mit der verschiedene Bestrebungen dargestellt werden können. How to Be a Revolutionary beginnt als Hommage. Davids erzählte mir, dass sie diesen Roman schreiben wollte, weil sie selbst einige Zeit in Shanghai gelebt hat, und er eine Art „Liebesbrief“ an die Stadt und die Menschen dort sein sollte, obwohl oder vielleicht gerade weil sie sich mit den Herausforderungen ihrer vergrabenen Geschichte auseinandersetzt. Es ist diese Liebe, die es ermöglicht, dass dieser Roman sowohl von den Folgen verschiedener Revolutionen, als auch von unwahrscheinlichen Freundschaften und Begegnungen handeln kann. Ein Beispiel dafür ist die Beziehung zwischen Beth und Zhao, die trotz gegenseitiger Vorbehalte entsteht, da beide Geschichten mit sich tragen, über die sie lieber nicht sprechen möchten. Beth und Zhao sind möglicherweise in der Lage zu spüren, wie sehr der jeweils andere von einer schweren Vergangenheit heimgesucht wird. Sie öffnen sich und „lassen Welten kollabieren“ (ein Ausdruck, den Davids mehrmals verwendet, um das Netz von Wechselbeziehungen zu beschreiben, das sie in diesem Buch geschaffen hat), und zeigen damit, dass wir weit verbundener sind, als wir zu denken oder zu glauben wagen.

Dieses Gefühl einer kollabierten Welt wird überraschenderweise auch in der Figur von Langston Hughes hervorgerufen. Davids wurdes selbst von Hughs überrascht – sie machte im Laufe der Konzeption und des Schreibens des Romans mehrere zufällige Entdeckungen. Unter anderem erfuhr sie, dass Hughes in den 1930er-Jahren einige Zeit in Shanghai verbracht hatte und dass er Briefe an verschiedene südafrikanische Schriftsteller*innen geschrieben und diese unterstützt hatte, darunter Richard Rive, der vor langer Zeit an derselben High School wie Davids war. Sie erweckt die Stimme von Langston Hughes sorgfältig zum Leben und verwebt geschickt Fakten und Fiktionen miteinander. Ihre Figur Hughes denkt in seinen Briefen an einen namentlich nicht genannten südafrikanischen Schriftstellerfreund (angeblich Rive) über unterschiedliche Formen des Freiheitskampfes nach. Diese (fiktiven) Briefe wurden Ende der 1950er-Jahre geschrieben, zur Zeit von Hughes‘ (realer) Aussage in den antikommunistischen Anhörungen der McCarthy-Ära in den USA. Auf diese Weise wird die Beziehung zwischen Hughes und dem südafrikanischen Schriftsteller von einem zunehmend repressiven Staatsapparat unterbewertet (oder überbewertet?), der Stimmen wie die von Rive im Apartheid-Südafrika und Stimmen wie die von Hughes in den USA zensiert. Dennoch konnte Hughes (im wirklichen Leben) den Schriftsteller*innen des afrikanischen Kontinents radikale Liebe und Unterstützung entgegenbringen – nicht nur indem er ihre Arbeiten in Sammelbänden veröffentlichte, sondern manchmal auch in Form von Geld oder sogar Kleidung.

Die Geschichte entfaltet sich, als Zhao an Beths Tür klopft, auf der Suche nach einem Wort auf Englisch: „something like ,sad‘, but not ‚sad‘…something more rich“ (3). Beth und Zhao entscheiden sich für Melancholie. Ich fragte Davids, ob sie dieses Wort wie ich mit linker Melancholie in Verbindung bringt, wie Wendy Brown und neuerdings auch Enzo Traverso den Ausdruck verwenden, zumal der Titel des Romans weniger lehrreich ist, als es zunächst scheint, sondern eher die Frage stellt: „Wie können wir heute revolutionär sein?“ Davids zufolge wird die linke Politik durch interne Debatten über Sprache abgelenkt und lässt sich zu sehr von kulturellen Ereignissen wie dem „Barbie-Film“ in den Bann ziehen, sodass sie nicht in der Lage ist, dem wachsenden globalen Faschismus entgegenzutreten und ihm zu widerstehen.

Aber Davids erklärt vehement: „Wir müssen Hoffnung haben!“ Sie betont, „Es ist auch ein Roman über Hoffnung. Es steht sogar im deutschen Titel!“ Wenn in diesem Roman Hoffnung zu finden ist, ist sie sicherlich etwas gedämpft. Doch vielleicht sind die Wege, ungewöhnliche Freundschaften aufzubauen und mutig und liebevoll zu handeln, wie es die Charaktere in diesem Buch tun, ein Ausdruck der Hoffnung.

Im Anschluss an unser Gespräch auf der Bühne, wandte sich Davids an mich und fragte nach dem Publikum: „Hast du gemerkt, wie das Publikum reagiert hat, als es um Ernüchterung ging?“ Auch ich habe die Energieverschiebung gespürt, obwohl ich nicht sicher bin, ob das Publikum sich verschloss. Vielleicht war die Stille, die Davids bemerkte, eher auf das ehrliche Interesse zurückzuführen. Tatsächlich waren kurz nach dem Book Special alle Exemplare von How to Be a Revolutionary ausverkauft.

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