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Zwei Bäume machen einen Wald

Zwei Bäume machen einen Wald

Jessica J. Lees wunderschön betiteltes Buch Zwei Bäume machen einen Wald ist eine Ode an Taiwan – ein Ort, der ihre Heimat hätte sein können -, eine liebevolle Naturbetrachtung und eine investigative Reise in die verlorene Geschichte einer Familie. In sanfter Prosa, die sich Zeit lässt, lädt Lees autobiographische Erzählung Leser*innen ein, über Erinnerung und Migration, über Familie und Ort, über Verlust und entschlossenes Wandern nachzudenken.

Die Grundlage des Buches ist biografischer Natur, denn Lee macht sich auf den Weg die von Geheimnisse umhüllte Familiengeschichte mütterlicherseits zu ergründen. Ihre Großeltern, geboren und aufgewachsen in China, wurden von der Flut der Geschichte nach Taiwan und weiter nach Kanada getrieben, wo Lee selbst geboren und aufgewachsen ist. Lees Suche nach ihren verlorenen Geschichten beginnt mit nur zwei Hinweisen: einem Brief, den ihr Großvater vor seinem Tod, aber nicht vor dem Ausbruch seiner Alzheimer-Krankheit schrieb, und einer Telefonrechnung, die nach ihrem Tod im Haus ihrer Großmutter gefunden wurde und die Anrufe an zwei unbekannte Nummern aufzeichnet, einen nach China und einen nach Taiwan.

Lees Ergänzung der fehlenden Details ihrer Geschichte ist verwoben mit Erfahrungen, die sie selbst während eines Aufenthalts in Taiwan machte. Dazu gehören vor allem eine Reihe von Wanderungen, aber auch Städtetrips und eine Fahrradtour zur Vogelbeobachtung. Als ausgebildete Umwelthistorikerin ist Lee besonders geschickt darin, nicht nur die Feinheiten der außergewöhnlich heterogenen Flora und Fauna, der sie in Taiwan begegnet, zu erkennen, sondern auch die Geschichte ihrer wissenschaftlichen Dokumentation zu beschreiben. Sie ist in der Lage, einen wunderbar strukturierten Eindruck davon zu vermitteln, wie die Menschen auf dem Sammelsurium der natürlichen Vielfalt der Insel einen Wissensfundus geschaffen haben. Diese Geschichten der Wissensproduktion sind in der vielfältigen, komplexen Kolonialgeschichte der Insel verstrickt – sei es die europäische, japanische oder chinesische.

Das Buch ist auch eine Reflexion über Sprache und insbesondere vielleicht darüber, wie die Sprache eine Beziehung zur Umwelt herstellt – wie der Titel des letzten Teils des Buches 木木 andeutet (und in der vielleicht die beiden Bäume erkennbar sind, die einen Wald bilden könnten):

木木

Lin

n. Wald; Gehölz; Hain

oder

n. eine Gruppe von sich ähnelnden Personen.

Es ist ein Buch, das Geduld belohnt. Während ich mich anfangs nach einem klareren Voranschreiten sehnte, wurde der Wunsch nach einer Handlung bald von der Wertschätzung für den mäandernden Gang durch Taiwan und die Geschichte, die das Buch mit sich brachte, überlagert.

Aus dem Englischen übersetzt von Susanne Hornfeck.

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