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Wie rote Erde

August Gondiwindi hat bereits zehn Jahre mit Geschirrspüljobs im tristen, grauen London verbracht, als der Tod ihres Großvaters Albert sie veranlasst, nach Hause in die australischen Massacre Plains zu reisen. So beginnt die Geschichte, die Tara June Winch in Wie rote Erde (übersetzt von Juliane Lochner) erzählt. Dieses Buch ist sehr schön und sehr traurig. Winch ist eine australische Wiradjuri Schriftstellerin und hat bereits eine Reihe von Literaturpreisen gewonnen. Wie rote Erde ist ihr drittes Buch und in Australien ein Bestseller.

Die Geschichte kann mehr oder weniger als dreistimmig bezeichnet werden: Es geht um August, ihre Rückkehr und ihre Kindheitserinnerungen an Prosperous House, wo sie von ihren Großeltern nach der Inhaftierung ihrer Eltern aufgezogen wurde. August versucht, Vergangenes zu verstehen oder Verluste zu verarbeiten – den Verlust ihres Großvaters und auch den ihrer Schwester Jedda, deren Verschwinden als Kind so viele Jahre später immer noch ein Rätsel ist. Dann ist da noch der lange Brief, den ein gewisser Reverend Ferdinand Greenleaf im Jahr 1915 geschrieben hat, wobei es sich wahrscheinlich um die am wenigsten sympathische Stimme des Buches handelt, die es aber historisch unterfüttert und einige Schlüsselinformationen liefert. Zuletzt gibt es das Buchprojekt, mit dem Albert beschäftigt war, bevor er starb – ein Wörterbuch mit Wiradjuri-Wörtern, über die er die Geschichte seines eigenen Lebens erzählt. Er berichtet aus seiner Jugend, über die Begegnung mit der Frau, mit der er den Rest seines Lebens verbrachte, und wie er von den Vorfahren lernte, sich um das Land zu kümmern. Es ist diese letzte Erzählstimme, die den anderen die Show stiehlt: zart und komplex offenbart sie, wie Sprache Lebensweisen erschafft und gleichzeitig aus ihnen hervorgeht, wie Sprache ermöglicht ganz bestimmtes Wissen über die Welt zu erlangen.

Die Handlung um August gibt der Geschichte ihren Schwung, während die Erzählung auf bezaubernde Weise mäandert, was bei einer Geschichte über ein Wörterbuch vielleicht erwartbar ist, und dennoch hält sie einige überraschende Wendungen und Spannungsmomente bereit. Zutiefst tragische Ereignisse ziehen sich ebenso durch das Buch wie komplizierte Fragen nach historischer Komplizenschaft, andauernden Ungerechtigkeiten und verschiedenen Formen des Widerstands – nicht selten mit einem sanften Humor. In seiner liebevollen Auseinandersetzung mit Land und Boden sowie den landwirtschaftlichen Praktiken indigener Australier*innen, die eine Geschichte von über 10.000 Jahren haben, erinnert mich Wie rote Erde an Dark Emu von Bruce Pascoe – ebenfalls ein exzellentes Buch und ein Must Read. Ich habe Wie rote Erde unheimlich gerne gelesen und kann es von ganzem Herzen empfehlen.

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