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Schweigen ist meine Muttersprache

schweigen ist meine Muttersprache sulaiman addonia

Schweigen ist meine Muttersprache

Sulaiman Addonia lebt heute in Brüssel und hat in London studiert. Aufgewachsen ist er in Eritrea und – nach einem Massaker im eritreischen Unabhängigkeitskampf – in einem Camp für Geflüchtete im Sudan. Addonias zweiter Roman Schweigen ist meine Muttersprache (ins Deutsche übersetzt von Bernhard Jendricke und Rita Seuß) spielt ebenfalls in einem sudanesischen Lager eritreischer Geflüchteter. Der Roman folgt der Geschichte der Geschwister Saba und Hagos und beginnt mit einer Gerichtsverhandlung in einem provisorischen Kino. Angeklagt ist Saba. Sie soll ihren Bruder, der seit Geburt stumm ist, missbraucht haben. Dem Richter und allen Beteiligten wird schnell klar, dass sie eigentlich nichts über Saba wissen und nach diesem dramatischen Auftakt bietet das Buch Sabas Perspektive auf die Beziehung zu ihrem Bruder und auf das Durcheinander und die herausfordernden Bedingungen im Camp.

Saba berichtet vom Alltag: Wasser holen am Fluss, die Benutzung der öffentlichen Freilufttoilette ( – die eigentlich ein Feld hinter den schlichten Lehmhütten der Geflüchteten ist), Begegnungen mit den wild zusammengewürfelten Nachbar*innen, neue Freundinnenschaften, Schlangestehen vor den Quartieren der britischen Hilfsorganisationen. Saba träumt davon Ärztin zu werden, fühlt sich aber gleichzeitig mit ihren Träumen und Möglichkeiten ihrem Bruder gegenüber schuldig, dessen Platz an der Schule sie eingenommen hatte, weil er stumm ist. Es scheint im Verlauf des Romans immer wieder so, als wäre Hagos Behinderung zwar eine Einschränkung, aber auch ein Mittel, das es den Geschwistern erlaubt, gesellschaftliche Normen deutlicher zu sehen und zu hinterfragen. Hagos erledigt einen Großteil der Hausarbeit – also der typischen Frauenarbeit – und auch wenn Saba sich fragt, ob er sich so seinem Schicksal ergebe, scheint er es dennoch zu genießen. Es gefällt ihm auch, ihr Kleidung auszusuchen und ihr Frisuren zu machen. Saba spricht oft für ihn und erfüllt Aufgaben, die eher als Männerarbeit verstanden werden. Ihre Ambitionen und ihr Wunsch nach Unabhängigkeit führen zu regelmäßigen Maßregelungen von Erwachsenen, sogar mit starken körperlichen Verletzungen.

Körperliche und emotionale Traumata bilden das Band, das Hagos und Saba verbindet, und dienen als roter Faden, der durch die Geschichte führt. Auch wenn manche Dialoge oder Charaktere etwas plump wirken, bietet das Buch bewegende Einblicke in eine absolute Ausnahmesituation. Das Buch handelt von viel Schrecken und ich habe mich beim Lesen an den Lichtblicken festgehalten. Besonders gefallen haben mir der träumerische Besitzer des provisorischen Kinos des Lagers und der Fokus auf Sabas Unbeirrtheit.

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