Sister Outsider
Ikonische Sätze von Audre Lorde wie „The Master’s Tools Will Never Dismantle the Master’s House“ / „Die Werkzeuge der Herrschenden, werden das Haus der Herrschenden niemals einreißen“ werden viele schon einmal gehört haben – mittlerweile begegnen sie einem sogar auf allen möglichen aktivistischen Social-Media-Kanälen. Die Person dahinter und ihr Gesamtwerk bedürfen intensiverer Auseinandersetzung: Die afroamerikanische, lesbische, feministische Dichterin und Aktivistin Audre Lorde war für Schwarze und feministische Bewegungen eine absolut wichtige Person – auch in Deutschland. In den 1980er Jahren verbrachte Lorde einige Zeit in Berlin und unterstützte Schwarze Deutsche dabei, eine politische Sprache für ihre Identität und Erfahrungen zu entwickeln. Intersektionalität war damals schon ein Grundgedanke in Lordes Schreiben und Handeln, auch wenn der Begriff noch nicht existierte.
Allein deshalb gebührt ihrem Essayband Sister Outsider, der zunächst 1984 bei Crossing Press erschien, Aufmerksamkeit. Ein Großteil der Essays wurde schon vor ca. 30 Jahren in deutscher Übersetzung im Orlanda Frauenverlag veröffentlicht. Aber dieses Jahr, 2021, erschien der vollständige Band in deutscher Übersetzung von Marion Kraft und Eva Bonné im Hanser Verlag. Da es sich um einen großen Publikumsverlag handelt, besteht die Hoffnung, dass Lordes wichtigen Texte nun auch außerhalb Schwarzer und feministischer Communitys gelesen und bekannt werden.
Lordes Essays, wie auch ihre Mythobiographie Zami: Eine neue Schreibweise meines Namens (in der deutschen Übersetzung von Karen Nölle) sprechen von dem Schmerz, den ihr Rassismus und Heterosexismus bereiten. Sie analysiert die Gesellschaft, in der sie lebt und erkennt, dass Unterdrückung es zur „Aufgabe der Unterdrückten [macht], die Unterdrücker über ihre Irrtümer aufzuklären“ (131). Alles, was Lorde schreibt, klingt auf gruselige Weise immer noch absolut aktuell. Doch Lorde bleibt trotz aller Wut immer konstruktiv in ihrer Kritik und ihren Kämpfen. Sie schlägt vor, Wut in Sprache und Handeln zu verwandeln und auf Selbstdefinition zu beharren. Ihr Weg ist der der Selbstoffenbarung – sie macht nicht nur ungerechte Strukturen sichtbar, sondern die eigene Verletzlichkeit innerhalb dieser Strukturen. Zuletzt stellt sie glasklar fest: Es gibt keine einfachen Lösungen im Umgang mit struktureller Diskriminierung – für niemanden. Sister Outsider ist ein Grundlagentext für alle, die sich für Intersektionalität interessieren und ihre eigene gesellschaftliche Rolle reflektieren wollen.
In der deutschen Übersetzung von Eva Bonné und Marion Kraft scheinen alle Übersetzungsentscheidungen mit politischem Feingefühl getroffen worden zu sein. Wie sie sagen, hielten sie sich dabei oft an den Ausgangstext – so wird Schwarz wird großgeschrieben, weiß klein und kursiv. Den Begriff Race behalten sie im Deutschen i.d.R. bei. Hier besteht die Hoffnung, dass der Hanser Verlag selbst, aber auch andere Verlage diese beispielhafte Übersetzung in Zukunft als Vorbild für andere nimmt.
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