Sei kein Mann: Warum Männlichkeit ein Albtraum für Jungs ist
JJ Bola wurde in Kinshasa im Kongo geboren und floh mit sechs Jahren mit seiner Familie nach London. In seinem Buch Sei kein Mann: Warum Männlichkeit ein Albtraum für Jungs ist schreibt er zu Beginn, dass dieser Ortswechsel ausschlaggebend für seine Reflexionen über Geschlechterrollen war. Schon früh stellte er fest, dass sich kongolesische Männergruppen in manchen Aspekten anders verhalten als englische Männergruppen, z.B. ist es ganz normal, dass kongolesische Männer bei Gesprächen oder Spaziergängen Händchen halten, wofür Bola in London beleidigt und beschämt wurde. Diese Beobachtung legte den Grundstein für seine Erkenntnis, dass Männlichkeit eine kulturell unterschiedlich ausgeprägte Konstruktion ist. Wie und wo das lokale, normative Verständnis von Männlichkeit geschaffen wird und welche Auswirkungen es hat, fasst er in seinem leicht weg zu lesenden Band anschaulich zusammen.
Bola macht klar, dass das System, das schädliche Mythen von Männlichkeit aufrechterhält, das Patriarchat ist. Es durchzieht alle Bereiche von Popkultur, Sport, Familie, Liebe, Sex, Politik, usw. Mit Zitaten von Rappern, Beispielen aus dem Fußball und Basketball bricht Bola Stereotype vom harten Mann auf. Anhand von Statistiken über Selbstmordraten und psychische Krankheiten untermauert er die Schädlichkeit dieses Klischees. Stattdessen spricht er ein Plädoyer für ein vielfältiges Ausleben der eigenen Geschlechterrolle aus und lobt den Feminismus. Bola erkennt, dass Feminismus nicht gegen Männer ist, sondern das Patriarchat beenden will und zitiert eine mir vertraute, wunderbare Quelle, die afroamerikanische Wissenschaftlerin bell hooks. Er vergisst auch nicht, auf die unterschiedlichen Achsen von Unterdrückung zu verweisen.
Beim Lesen hatte ich das Gefühl, dass die Hauptzielgruppe des Buchs jugendliche Jungs sind, die mit den Erwartungen, ein harter Mann sein zu müssen, kämpfen. Bola erwähnt, dass er Sei kein Mann geschrieben hat, weil er sich selbst genau dieses Buch in seiner Jugend gewünscht hätte. Er hätte sich gewünscht, schon früher zu wissen, dass ein starres, einengendes Verständnis von Männlichkeit geweitet werden kann und muss. Das heißt nicht, dass ich das Buch nicht interessant fand, aber sagen wir es mal so: Die Beispiele und Anekdoten sind sehr weit entfernt von meiner eigenen Lebensrealität, dennoch überraschten sie mich nicht.
Besonders positiv ist mir die deutsche Übersetzung des Buches von Malcolm Ohanwe aufgefallen. Der Umgang mit sensiblen, politischen Begriffen ist nicht einfach, doch Ohanwe hat überzeugende Entscheidungen getroffen: So wurde z.B. der Begriff Race auch in der deutschen Version beibehalten, was in den Anmerkungen knapp damit erklärt wird, dass er im Diskurs weniger vorbelastet sei. Schwarz wird als politische Selbstbezeichnung groß geschrieben. In Bezug auf Gender werden stellenweise ebenfalls die englischen Pronomen beibehalten („they“/ „them“). Es ist auf beiden Sprachen ein hervorragendes Einführungsbuch, vor allem für heranwachsende oder junge Erwachsene Brüder, Söhne, Neffen oder Enkel.
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