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The Old Drift

Namwali Serpells Debutroman The Old Drift erschien 2019 und wurde bereits mit diversen Preisen ausgezeichnet. Zu Recht, denn es ist ein anspruchsvoller, vielschichtiger Roman über Beziehungen zwischen Staaten und Personen, die sich mit der Welt um sie herum verändern. Serpell führt ihre Leser*innen anhand von drei Familien durch das 20. Jahrhundert und nutzt als Schauplatz hauptsächlich ihre Heimat Sambia. Dabei wendet Serpell die Handlung mehrmals auf geschickte Weise: Von Erzählungen früher Kolonialisten und Sambias Unabhängigkeitsbewegung leitet sie über zu den schlimmsten Jahren der AIDS Epidemie und letztendlich in die nahe Zukunft, in der Mikrodrohnen sowohl für totalitäre Zwecke als auch politischen Widerstand verwendet werden. Die über 500 Seiten sind es absolut wert, gelesen zu werden.

Die verschiedenen Familiengeschichten werden größtenteils aus der Perspektive von Frauen erzählt. Zunächst werden die Großmütter vorgestellt, die alle irgendein mehr oder weniger mysteriöses Leiden haben. Sibilla, die im italienischen Alba aufwächst, ist am ganzen Körper mit langen, schnell nachwachsenden Haaren bedeckt. Sie wird eingesperrt, bis Federico sie befreit und sie gemeinsam unter falscher Identität nach Rhodesien auswandern. Agnes ist Britin aus gutem Hause und spielte frühere wahnsinnig gut Tennis. Doch in ihrer Jugend erblindet sie. Sie heiratet Ronald, einen Studenten, der für die Semesterferien bei ihrer Familie zu Gast ist.  Er nimmt sie mit nach Lusaka in seine Heimat. Matha wächst in einem Bemba Dorf auf und mit Hilfe ihrer listigen Mutter erhält sie für einige Jahre eine Schulausbildung. Nach dem Tod ihrer Mutter schließt sie sich der Unabhängigkeitsbewegung an. Als ihr Freund sie schwanger sitzen lässt, kann sie für Jahre nicht mehr aufhören zu weinen.

Alle drei Frauen leben letztendlich in Lusaka, der Hauptstadt des Landes, dass noch zu ihrer Lebenszeit Sambia wird. Die drei Großmütter treffen nicht aufeinander. Aber als Leser*innen erfahren wir, dass ihre Vorfahren eine schicksalsträchtige Begegnung im Victoria Falls Hotel hatten. Schon dieses ihnen unbekannte Ereignis verbindet ihre Schicksale und die ihrer Kinder und Enkel*innen miteinander, aus deren Perspektiven die Geschichte weitergesponnen wird.     

Neben den fiktionalen Charakteren, tauchen immer wieder historische Personen auf. So stellt Serpell z.B. den britischen Fotografen Percy Clark als Agnes Großvater vor. Der echte Percy Clark folgte zu Beginn des Jahrhunderts den Spuren des Kolonisten David Livingstone und unternahm eine Sambesi Expedition. Im Roman dient die Figur des Percy Clark dazu, die rücksichtslose Suche nach Spaß und Abenteuer der Europäer*innen zu verdeutlichen, sowie ihre rassistische Haltung gegenüber der lokalen Bevölkerung.

Eine weitere historische Figur ist Edward Nkoloso, ein sambischer Widerstandskämpfer und der Gründer der National Academy of Science, Space Research and Philosophy. Nkoloso wollte als erster – vor den USA und Russland – Menschen auf den Mond schicken. In The Old Drift ist Matha eine Afronautin in Nkolosos Programm. Insgesamt zeigt Serpell in ihrem Roman Sambia immer wieder als Land der Innovation. Neben der Weltraumforschung wird hervorragende AIDS Forschung betrieben und die Enkel*innen entwickeln die kleinsten Drohnen der Welt. Doch die Folgen des Kolonialismus benachteiligen Sambia immer wieder im globalen Wettbewerb. Die USA oder China haben mehr Geld und sind deshalb schneller und mächtiger.

The Old Drift behandelt politische und ethische Fragen der Geschichtsschreibung, des wissenschaftlichen Fortschritts und des eigenen Handelns. Die Charaktere stellen nicht nur unterschiedliche Positionen dar, sondern auch verschiedenen politische Haltungen. Sie haben Ecken und Kanten und es fällt schwer vollständig mit irgendeinem von ihnen zu sympathisieren. Konflikte ziehen sich durch den gesamten Roman, werden aber immer wieder von kleinen Anekdoten über Liebe, Sex und Festlichkeiten unterbrochen. Dieses sehr lesenswerte und vielschichtige Buch lädt zum Lachen, Weinen und Nachdenken ein.

Dieses Buch ist bisher nur auf Englisch erhältlich.

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