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das calcutta chromosom von amitav ghosh

Das Calcutta Chromosom

Wer auf der Suche nach einem intelligenten Roman ist, in dem ein spannendes Thema gut recherchiert zu einer erinnerungswürdigen Geschichte verarbeitet wurde, macht mit Amitav Ghosh wohl wenig falsch. Ich habe bereits Hunger der Gezeiten begeistert gelesen, das geschickt Umweltschutz und soziale Fragen miteinander verbindet. Das Calcutta Chromosom (übersetzt von Martina Tichy) ist völlig anders, aber ebenso lesenswert: Dieser unheimlich spannende Medizin-Thriller thematisiert die Malaria-Forschung des englischen Wissenschaftlers Sir Ronald Ross und hinterfragt dabei die Methoden westlicher Wissenschaft.

Im Calcutta Chromosom gibt es verschiedene Zeitebenen und eine ganze Reihe von Charakteren. Aber alles wird an einer schicksalhaften Begegnung zwischen Antar und Murugan aufgehängt. In einem New York der nahen Zukunft treffen sich die beiden Männer, die für eine internationale Datenverarbeitungsfirma arbeiten. Murugan berichtet von seiner Hobby-Forschung über Ronald Ross, der 1898 den Nobelpreis für die Entdeckung von Präventionsmöglichkeiten gegen die Tropenkrankheit Malaria erhalten hat. Kurz nach der Begegnung mit Antar reist Murugan auf den Spuren von Ross nach Calcutta, der dort ein Labor hatte, und verschwindet dann auf mysteriöse Weise spurlos. Durch einen Zufall – oder ist es überhaupt einer? – beginnt Antar, Murugan in digitalen Archiven zu suchen, und erfährt immer mehr über eine kuriose indische Forschungsgruppe. Diese Gruppe scheint sich schon zu Ross‘ Zeiten zusammengefunden zu haben und es gibt sogar Hinweise darauf, dass sie Ross als Laborassistent*innen mit entscheidenden Tipps für seine Forschung versorgten. Hier wird geschickt das koloniale, westliche Selbstbild von überlegener Fortschrittlichkeit in Frage gestellt. Doch statt Malaria heilen zu wollen, scheint die indische Forschungsgruppe das ewige Leben anzustreben – und zwar über eine Art Chromosom-Transfer, der erlaubt, den Körper einer anderen Person zu übernehmen.

Die Handlung des Romans ist ziemlich komplex und die Zeitlinien werden absichtlich durcheinander gebracht. All das erschwert es, dem mysteriösen Verschwinden von Murugan und, wie sich herausstellt, weiteren Personen, auf den Grund zu kommen oder die Forschung vollständig zu verstehen. Tatsächlich wird in dem Roman häufig geäußert, dass das laute Aussprechen Dinge verändert. Schweigen und Geheimhaltung sind zentrale Themen des Romans und offenbar sind alle Mitwissenden in Gefahr, was bei mir beim Lesen mehrmals zu Gänsehaut geführt hat. Das Buch ist spannend bis zur letzten Seite. Besonders liebenswert erschienen mir neben dem einsamen, alten Antar die Ideen, wie die Zukunft aussehen könnte, die aus heutiger Sicht veraltet sind – Calcutta Chromosom wurde 1995 erstmals veröffentlicht.

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