Kulturelle Verpackungen
Kultur und Religion sind nicht bloß Dinge, die wir mit uns herumtragen. Aus irgendeinem Grund dachte ich, sie seien einfach zwei bedeutende Anteile des Baumaterials, aus dem ich gemacht bin. Inzwischen habe ich jedoch verstanden, dass Religion und Kultur größtenteils in Kisten existieren.
So können sie herausgenommen und zu einem angemessenen Zeitpunkt gezeigt/gebraucht/getragen/geteilt werden, bevor sie neu organisiert und wieder weggepackt werden. Jedes Mal scheint es mir, als packe ich weniger aus oder als sei das, was ich herausnehme, anders als erwartet.
Zwischen 11 und 14 Jahren sammelte ich alle einzelnen Glas-Armreifen, die vom verlorengegangenen Rest des Sets übriggeblieben sind. Solche, die nicht mehr mit indischen Kleidern getragen werden konnten, weil es nicht mehr genug davon gab. In meiner bescheidenen Interpretation des Fusion Styles trug ich pro Handgelenk eine kuratierte Auswahl von drei oder vier Armreifen und dazu westliche Kleidung.
Zum einen war ich stolz auf meine Kultur, die an einem gewöhnlichen Schultag kaum oder gar nicht zur Geltung kommen konnte. Zum anderen waren die verschiedenen Muster und Farben, manchmal mit Gold und einigen billigen Glitzersteinen, einfach hübsch. Mich beruhigte ihr angenehmes Klimpern, wenn ich mich bewegte, weil es mich an die Momente und Orte erinnerte, die ich mit ihnen in Verbindung brachte.
Meine Freund*innen hatten Spaß daran, sie zum Klimpern zu bringen, meine Familie wiederum fand meine neue Angewohnheit seltsam und scheuten nicht davor zurück, ihre Meinung darüber zum Ausdruck zu bringen – als ob mir nicht bewusst gewesen wäre, was ich trug. Sie sahen die Kombination aus indischen Armreifen und westlichen Kleidern nicht als Fusion, sondern eher als ein seltsames Paar an – wie ein Hochzeitsgast, der zu einer falschen Hochzeit erscheint. Ihrer Ansicht nach wurden indische Armreifen mit Ghagra (auch bekannt als Lengha) getragen und die Halskette mit einem Reiskorn, auf dem dein Name steht (lacht, wenn ihr wollt, aber in den 90ern waren sie voll im Trend) mit Jeans und Bluse.
Kultur und Religion waren Teile des Lebens, die größtenteils unverändert blieben und nur unter bestimmten Umständen sichtbar gemacht wurden. Danach wurden sie wieder schön verstaut und von uns Kindern wurde erwartet, wieder stolze Amerikaner*innen zu sein – auch wenn eher die Hölle zufrieren würde, als dass wir uns wie die gleichaltrigen weißen Amerikaner*innen hätten verhalten dürfen.
Das klingt etwas isolierend und in gewisser Hinsicht hat es sich auch so angefühlt. Doch als Erwachsene verstehe ich nun, dass das, was ich als Kind als Heuchlerei empfand, ein übereifriger Kampf war, um zu verhindern, dass unsere einzigartigen Erfahrungen in den Topf geschmissen werden, den die westliche Kultur für unsere Kultur bereithält. Dies bedeutete, dass wir uns darauf freuten, die Kisten für Diwali auszupacken, nicht zuletzt, weil unsere Eltern dann etwas ruhiger waren.
Ich scheue mich zwar, es simpel als „Neujahr“ zu bezeichnen, aber es ist ein Tag, der von verschiedenen Glaubensrichtungen gefeiert wird, insofern ist es keine unzutreffende Beschreibung. Mein Diwali und das meiner Eltern sind völlig unterschiedliche Erfahrungen. Für meine Eltern, die auf den Fiji-Inseln aufwuchsen, schien es zu einem Viertel aus dem Gedenken an die Gottheiten zu bestehen und zu drei Vierteln aus einem von Mithai angetriebenen Nachbarschaftsfest, an dem Kinder in neuen Kleidern und mit einer Wunderkerze in jeder klebrigen Hand durch den toxischen Feuerwerksrauch rasten. Meine Eltern wiederum verdrehten die Augen beim Gedanken daran, an dem Tag das Haus zu verlassen. Die Idee, angezündete Diyas unbeaufsichtigt zu lassen war lächerlich und Lakshmi würde doch sicherlich nie ein leeres Haus segnen.
Ich kann mein Diwali nur als etwas sehr Sanftes beschreiben. Wir verbrachten die Tage davor damit, das Haus sowie die Statuen und Bilder für den Altar zu putzen. Der Tag selbst war dem Kochen des Festessens gewidmet, bevor wir duschten und indische Kleider anzogen – solche, die schön genug für religiöse Anlässe waren, nicht aber für Hochzeiten. Nachdem wir gemeinsam gebetet hatten, folgten wir unserer Mutter durch die dunklen Räume unseres Hauses, jede*r von uns eine Hand auf ihrem rechten Arm, während sie Diyas aus Ton auf Untertassen stellte und mit etwas Wasser bespritzte.
Danach wurde nur das Küchenlicht angemacht, einfach aus Notwendigkeit, und wir aßen Prasad und das Festmahl, das meine Mutter größtenteils selbst gekocht hatte. Während des Essens erzählte sie uns Geschichten aus dem Ramayana. Obwohl wir nur zu viert waren, hatte sie Klassiker, die zu jedem Fest gehören, wie Gulgula oder Samosas gekocht. Das Beste daran war, dass wir keiner Menschenseele die leckeren Reste mit nach Hause geben mussten. Keine*r sprach laut oder besonders viel. Es war die Zeit, um gemeinsam die Wärme und Sicherheit unseres Hauses zu feiern.
An dem ersten Diwali nach dem Tod meiner Mutter war unser Haus von dieser Art Kälte durchdrungen, die entsteht, wenn plötzlich etwas fehlt. Nur meine ältere Schwester und ich kamen zusammen, mein Vater war auf einer Geschäftsreise. Als älteste Frau wurde meine Schwester die Lakshmi unserer Familie. Daher kochte sie den größten Teil des Essens und ich folgte ihr, eine Hand auf ihrem Arm, während wir die Diyas aufstellten. Danach brachen wir die Tradition und schauten einige Episoden der Serie der Ramayana auf DVD. Wir ließen uns von der Behaglichkeit einlullen und verdrängten für einige Stunden unsere Einsamkeit.
Ich möchte nicht sagen, meine Mutter sei der Dreh- und Angelpunkt unserer Kultur und Traditionen gewesen; doch trotz des entfernten Wissens, dass die Erfahrungen meiner Eltern anders waren als meine, war dies das erste Mal, dass ich verstand, dass Traditionen sich verändern und dies teilweise auch müssen.
Wie jeder andere große Feiertag verändert sich Diwali im Strom der sich wandelnden Zeit. Der buttrige Duft von Ghee, in dem die Baumwolldochte in Ton-Diyas getränkt sind, wird durch Teelichter und gar LED-Diyas ergänzt. Fast jedes Bhajan-Lied kann auch Youtube gefunden werden. Artikel mit Tipps für Diwali beinhalten, wie die Feier nachhaltiger gestaltet werden kann (zum Beispiel, in dem auf die geliebten Feuerwerke und den Abfall, den sie hinterlassen, verzichtet wird) und wie das Fest von den bekannten Auswüchsen der Kommerzialisierung losgelöst werden kann.
Bisher habe ich noch nie die Beschwerde gehört, dass Diwali zu kapitalistisch sei. Vielleicht ist das Fluch und Segen zugleich: Da ich immer an Orten gelebt habe, an denen Diwali bloß ein verschwommener Fleck auf dem größeren kulturellen Radar ist, bin ich befreit von kommerziellen Fallen und kann in einen Tag eintauchen, der etwas mehr das Flair von „zurück zu den Wurzeln“ versprüht – auch wenn ich kurz mit dem Gedanken gespielt hatte, Lichterketten in Form von Lotusblumen und eine „Happy Diwali“-Girlande zu kaufen. Doch da ich die Einzige in meinem unmittelbaren Umfeld bin, die Diwali feiert, habe ich eine tief verwurzelte und völlig lächerliche Angst, dass das, was ich an diesem Tag zu bieten habe, nicht kulturell genug ist – was auch immer das heißen mag. Als die einzige Vertreterin an diesem wichtigen Tag, habe ich die irrationale Angst, dass eine Person etwas bemerken könnte, dass sie als falsch einstuft.
Dann kommt der Dezember und durch die eben gerade noch ruhige, meditative Zeit dröhnt plötzlich Weihnachtsmusik. Endlich weiß ich die Kekse und Stollen zu schätzen, die bereits seit September die Supermarktregale füllen. Jeder Tag scheint wie ein Countdown zur Eröffnung der Weihnachtsmärkte zu sein, begleitet von der stetigen Frage: „Ist es kalt genug für Glühwein?“
Es ist eine Zeit, auf die ich mich freue und die mein Bankkonto hasst. Ich werde oft gefragt, ob ich Weihnachten überhaupt feiere, mit diesem zerknirschten Gesichtsausdruck, der nahelegt, dass die Person davon ausgeht, dass ich verneine – wobei ich natürlich auch nicht davon ausgehe, dass alle Weihnachten feiern. Meine augenzwinkernde Standardantwort ist, dass ich Weihnachten auf die kapitalistische Art feiere.
Doch mit der Zeit finde ich es weniger lustig. Ein Grundpfeiler dieser Zeit des Jahres ist natürlich, Zeit mit seinen Liebsten zu verbringen. Aber der Winter (und hier beziehe ich mich konkret auf das Leben in Deutschland) sollte eine Zeit sein, um herunterzufahren und einen gemütlicheren Lebensstil zu genießen. Stattdessen arbeiten viele meiner Schüler*innen besonders viel und auch ich arbeite so viel wie möglich, um ein kleines Polster auf meinem Bankkonto zu haben. Denn diese spontanen Weihnachtsmarktbesuche, Last-Minute-Geschenke und zusätzliche Zutaten für Abendessen häufen sich schnell.
Es geht nicht um den Druck, das Teuerste oder besonders viel zu kaufen. Tatsächlich kenne ich viele Menschen, die versuchen sich darauf zu konzentrieren, Zeit miteinander zu verbringen. Aber auch Zeit ist etwas, dass kapitalisiert wird, sei es, weil gemeinsam Sachen unternommen werden, die Geld kosten oder weil beim Abendessen über die Arbeit gesprochen wird. Eine Tradition, die auf die ruhmreichen Tage der VHS-Kassetten zurückgeht und die mein Vater und ich immer noch zu pflegen versuchen, ist, dass wir gemeinsam The Muppet Christmas Carol schauen. Derzeit ist das aber aufgrund der Strategie des Teilens und Herrschens der Streaminganbieter nicht möglich.
Ich spüre diesen Druck, der meine Zeit aus mir herausquetscht, sodass jede Auszeit von Schuldgefühlen getrübt wird, weil ich nichts Produktives getan habe. Aber lasst mich das klarstellen: Ich bereue es nicht, Geld für Geschenke und Essen auszugeben. Ich mag es, Menschen zu beschenken und für sie zu kochen und diese gemeinsamen Traditionen zu schaffen.
Letztendlich bin ich durchaus kein einzigartiges Beispiel einer Person, die sich ihre Traditionen auf einem Flickwerk aus unterschiedlichen Wurzeln und Erfahrungen selbst schaffen musste. Das ist die Zeit des Jahres, in der das am stärksten zum Vorschein kommt. Feiern bedeutet für mich, dass unsere Gemeinschaft, alle mit unterschiedlichem Hintergrund, zusammenkommt und jede Person ein Stück ihrer persönlichen Geschichte den Anderen anbietet, damit es alle ausprobieren und genießen können. Feiertage sind erst vollständig, wenn du einige neue Rezepte in petto hast.
Im neuen Jahr gibt es anschließend ein paar Wochen der Abgewöhnung, in denen die Dekoration bleibt und man sich durch die Reste schlemmt. Doch dann kommt die unvermeidbare Zeit, wenn die Straßenecken mit Tonnen zur Entsorgung der Weihnachtsbäume versehen sind, die gemütlichen Lichter entfernt werden und wir fröstelnd mit der harten, farblosen Düsternis von Januar und Februar allein gelassen werden. Die Dekoration wird weggepackt und fristet ihr Dasein wieder in ihren Kisten – und das Leben geht weiter. Vielleicht kaufe ich mir nächstes Jahr doch diese Lichterketten für Diwali.