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Belgrads Museum für Afrikanische Kunst

Ich hätte den Bus nehmen können, aber ich entschied mich, zu Fuß zu gehen. Das war ein Fehler, denn an diesem ansonsten wunderschönen Herbstmorgen in Belgrad führte mich mein Weg an einer verkehrsreichen Autobahn vorbei, die Luft stank von den Autoabgasen und ich wurde durch ein verwirrendes Labyrinth von Fußgängerüber- und -unterführungen geleitet. Aber nachdem ich mich mehrfach verlaufen und doppelt so lange gebraucht hatte wie geplant, kam ich schließlich in einem grünen Vorort an mein Ziel: Das Museum für Afrikanische Kunst.

Das Museum macht einen bescheidenen Eindruck: Abgesehen von zwei anderen Tourist*innen bin ich allein. Den Mann am Ticketschalter scheint meine unerwartete Ankunft zu überraschen. Das erste Objekt, dem Besucher*innen begegnen, ist eine konturierte Darstellung des afrikanischen Kontinents aus verschiedenen Holzblöcken. Die Tafel daneben problematisiert die imperiale Kartographie und die Berliner Konferenz von 1884, bei der die europäischen Großmächte „Grenzen“ festlegten und den Kontinent nach ihren eigenen Interessen in Herrschaftsgebiete parzellierten. Belgrads Museum für Afrikanische Kunst positioniert sich und seine Ursprünge damit gleich zu Beginn als Teil der Politik des sozialistischen Jugoslawiens, die die Bewegung der Blockfreien Staaten und den damit einhergehenden antikolonialen Diskurs unterstützte.

Während des Kalten Krieges und besonders nach der afro-asiatischen Konferenz in Bandung (Indonesien) im Jahr 1955 waren viele Aktivist*innen und Künstler*innen aus dem globalen Süden daran interessiert, eine eigene Position zu formulieren, die sich gegen die Vereinnahmung durch die so genannten Supermachtblöcke aussprach. Also wurde die Blockfreiheit (Non-Alignment) als Strategie genutzt, die auch Jugoslawiens Tito attraktiv fand, der sich 1961 als Gastgeber des ersten Gipfeltreffens der Bewegung der Blockfreien (Non-Aligned Movement) in Belgrad hervortat, das u.a. von Jawaharlal Nehru, Gamal Abdel Nasser, Kwame Nkrumah und Sukarno initiiert worden war. Mithilfe dieser Geschichte kann das Museum sich selbst als Erbe einer gewissen antikolonialen Genealogie darstellen.

Ein paar Schritte weiter ins Museum hinein, fällt mir ein Schild auf, das sicherlich kein*e Besucher*in übersieht. Es wurde von Zdravko Pečar verfasst, einem ehemaligen jugoslawischen Botschafter, der zusammen mit seiner Partnerin Veda die meisten Stücke des Museums gesammelt hat:

Jedes Stück unserer Sammlung verließ Afrika mit einer schriftlichen Genehmigung, die eine unabhängige Regierung eines unabhängigen Staates erteilte. / Ich spreche allen Staatsoberhäuptern, sowohl den lebenden als auch denen, die nicht mehr unter uns sind, meinen tiefsten Dank aus.

Das ist vielleicht deshalb bemerkenswert, weil nur sehr wenige europäische Museen dies von sich behaupten können.

Es folgt eine Ansammlung afrikanischer Kunst und kultureller Artefakte, die auf eine weithin übliche Weise angeordnet wurden. Hier und da gibt es eine kritische Intervention, z.B. mit kleinen roten Schildern, auf denen zu lesen ist: „Es gibt keinen Antikolonialismus ohne Antirassismus“ und „Ich spreche nicht für andere“.

Am Ende, nach einigen Treppenstufen, befindet sich der Raum, der mich überhaupt in diese Ecke von Belgrad gelockt hat. Auf einem Schild wird „ein antikoloniales Museum“ angekündigt. Ich kann der Ausstellung nicht gerecht werden – obwohl sie, wie das Museum insgesamt, nicht gerade groß ist. Eine Tafel weckt mein besonderes Interesse, denn sie forderte zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der Kolonialität von Museen an sich auf. Auf diese Weise wird ein kritischer Blick auf den eigenen Ausstellungstitel geworfen und die Frage gestellt, inwieweit es überhaupt möglich ist, innerhalb kolonialer Institutionen wirklich antikolonial zu sein.

Belgrads Museum für Afrikanische Kunst erinnerte mich an ein anderes Museum, das sich in einem Randbezirk einer Metropole befindet: Das Treptow Museum in Berlin, das die Ausstellung „Zurückgeschaut“ beherbergt. Seit ich hier darüber geschrieben habe, wurde sie neu gestaltet und ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Unauffällige Museen am Stadtrand können es in sich haben. Allen, die zufällig in Belgrad sind, kann ich das Museum für Afrikanische Kunst wärmstens empfehlen.

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