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Sonderfolge: Macht Sprache – Ein Manifest für mehr Gerechtigkeit vorgestellt von Anna von Rath

In dieser Sonderfolge stellt Anna von Rath das Buch “Macht Sprache: Ein Manifest für mehr Gerechtigkeit”, das sie mit Lucy Gasser geschrieben hat vor. Das Buch erscheint am 26.09.2024 im Ullstein Verlag und die Autorinnen möchten damite einen Beitrag zu einer produktiveren Diskussionskultur über diskriminierungskritische Sprachstrategien leisten. In dieser Folge stellt Anna das Buch vor, indem sie Auszüge aus dem Vorwort vorliest und einiges zur Entstehungsgeschichte und zur Motivation hinter dem Buch erzählt. 

Am Schluss gibt sie 2 Buch- und 1 Netflix-Empfehlung. 

Shownotes

Transcript

Anna: Hallo und herzlich Willkommen zu einer besonderen Folge vom poco.lit. Podcast. Ich bin Anna von Rath, eine der Gründerinnen von poco.lit. und ich bin heute alleine hier. In der letzten Folge hatten wir es ja schon angekündigt: Meine Co-Gründerin Lucy Gasser und ich haben ein Buch geschrieben:

„Macht Sprache – Ein Manifest für mehr Gerechtigkeit“ erscheint am 26.9. im Ullstein Verlag.

Heute möchte ich euch ein bisschen über dieses Buch erzählen, worum es geht und wie es dazu kam, dass wir es geschrieben haben. Der Titel verrät schon einiges:

  • Es geht um Macht
  • Es geht um Sprache
  • Es geht um das, was wir mit Sprache machen können
  • Und zwar dann, wenn wir uns für mehr Gerechtigkeit interessieren. 

Das Manifest im Titel klingt vielleicht ein bisschen großspurig. Aber als wir die erste Idee zu dem Buch hatten, hat uns gerade das Manifest als Genre interessiert. Ein Manifest meint eigentlich nur ein Dokument, das den unzulänglichen Status quo kritisiert und darauf abzielt, Veränderung in der Welt herbeizuführen.Und in dem Buch setzten wir uns mit der Art und Weise auseinander, wie wir Sprache für genau so etwas nutzen können. 

In der heutigen Folge nehme ich mir das Vorwort zum Buch vor und gehe Stück für Stück durch. Ich lese euch ein paar Passagen vor und gebe euch noch ein paar zusätzliche Informationen dazu und erzähle, was wir uns dabei gedacht haben.

Wer unsere Projekte poco.lit. oder macht.sprache. ein bisschen kennt, kann sich vielleicht schon vorstellen, in welche Richtung das Buch geht. Aber für viele Leser*innen werden Lucy und ich und unsere Arbeit völlig unbekannt sein. Deshalb haben wir uns überlegt, mit zwei Szenen zu beginnen, die direkt vermitteln, um was genau es uns geht. Ich lese sie mal vor: 

Szene 1: 

Wir sitzen mit der Familie am Tisch und essen. Eins der Kinder hat die neueste Ausgabe von Jim Knopf und die Wilde 13 geschenkt bekommen. 

„Kein N-Wort mehr auf Lummerland“, freut sich ein*e Cousin*e.

Ich möchte gerade ergänzen, dass stereotype Beschreibungen insgesamt reduziert wurden, als einige Verwandte rufen: „Da hat die Sprachpolizei mal wieder durchgegriffen.“ Und: „Das ist doch Zensur!“

Plötzlich reden alle durcheinander. 

Die Stimmung kippt. 

Ich versuche, die Argumente für sprachliche Anpassungen in Kinderbüchern in meinem Kopf zu sortieren und mich konstruktiv ins Gespräch einzubringen. Doch immer wieder fällt mir irgendwer ins Wort. Und ich falle ihnen ins Wort. Wir werden laut, reden aufeinander ein und aneinander vorbei, bis meine Eltern den Nachtisch holen und das Thema gewechselt wird. 

Eine gewisse Unzufriedenheit bleibt in der Luft.

Szene 2:

Das Meeting beginnt und ein Mann hält einen ausführlichen Monolog.

Wie er spricht, trägt dazu bei, dass er ernst genommen wird. Der Bariton seiner Stimme, seine Worte und sein Akzent werden geschätzt und als richtig empfunden. 

Was er sagt, ist gar nicht so wichtig. Wie er es sagt, ist ausschlaggebend. Seine Selbstsicherheit lässt die Zuhörenden nicken.

Was er sagt, ergibt eigentlich keinen Sinn. Es ist Quatsch. 

Ich sollte darauf hinweisen. Aber wie? 

Wenn ich spreche, fallen mir nicht immer sofort die richtigen Worte ein, und deshalb werde ich für inkompetent gehalten. Ich lächle, um meine Kritik abzumildern, was mir als Schwäche ausgelegt wird. Meine Stimme ist ein Sopran, der als schrill gilt. Ich beende meinen Satz mit einem Fragezeichen, um in den Dialog zu gehen, aber meine Intention wird als Unsicherheit gedeutet.

Ich weiß, dass ich nicht ernst genommen werde. 

Am Ende des Meetings kommt der Mann zu demselben Schluss wie ich. Trotzdem denken alle, unser innovativer Plan käme von ihm. Ich werde beauftragt, Dokumente für ihn vorzubereiten, obwohl wir eigentlich gleichrangige Positionen haben.

So beginnen wir das Buch, das wir zu zweit geschrieben haben.

Die Szenarien sind Fiktion, aber wir haben beide schon ungefähr solche Situationen erlebt und können uns vorstellen, dass es zumindest einigen Leser*innen ähnlich gehen könnte. 

Wir wollten mithilfe von diesen Szenarien schon einige Aspekte anreißen, um die es in den folgenden Kapiteln gehen wird: 

  • Sprachveränderungen werden häufig hitzig diskutiert
  • Dabei hören Beteiligte sich manchmal gar nicht richtig zu, sondern geben stattdessen nur ihre vorgefertigte Meinung wieder
  • Das Gespräch geht dann gar nicht wirklich um diskriminierende Sprache, warum sie ein Problem ist und wie Diskriminierung reduziert werden könnte
  • Ehrlich gesagt, ist es manchmal fast gar kein Gespräch, sondern verschiedene Menschen führen Monologe 
  • Sowas kann im familiären Kontext, unter Freund*innen oder auch bei der Arbeit passieren
  • In vielen Situationen spielt das, was gesagt wird, vielleicht sogar eine geringer Rolle als das, wie es gesagt wird

Insgesamt geht es in dem Buch eigentlich nicht um uns selbst – also wir ziehen später kaum Anekdoten oder Beispiele aus unserem eigenen Leben heran, sondern sprechen hauptsächlich über Büchern, Filmen, Comedy, historische Ereignisse, Forschung, Aktivismus, usw. um zu erklären, welche Macht Sprache hat, wie sie diskriminiert und welche Möglichkeiten es gibt, sich diskriminierungskritisch zu verhalten.  Aber im Vorwort wollten wir verdeutlichen, welche Beziehung wir als Autor*innen zu den Themen im Buch haben. 

Im Vorwort versuchen wir also in gewisser Weise uns zu den Themen zu positionieren – zu zeigen, aus welcher Position heraus wir über Sprache und Diskriminierung sprechen. Wir machen das schon an der Stelle, bevor wir in Kapitel 1 ausführlich darauf eingehen, was wir eigentlich genau unter Positionierung verstehen, hoffen aber, dass es auf diese erzählerische Weise gut nachvollziehbar ist.

Und jetzt möchte ich 2 weitere Absätze aus dem Vorwort vorlesen, die sich auf die beschriebenen Szenarien beziehen – also die Diskussion mit der Familie und das Arbeits-Meeting mit dem monologisierenden Mann:

In solchen Situationen kommt es wiederholt dazu, dass uns nicht zugehört wird, wenn wir uns auf eine Art und Weise ausdrücken, die als weiblich verstanden wird. 

Wer ernst genommen werden möchte, muss offenbar bestimmte Kriterien erfüllen, und einige davon haben mit der Wortwahl und der Sprechweise zu tun. 

Diese Kriterien gelten als allgemein bekannt, auch wenn sie selten konkret benannt werden. Sie gelten als universell, auch wenn sie spezifisch sind. Manche dieser Kriterien beziehen sich auf Gender. Andere, wie wir aus eigener Erfahrung wissen, auf Klasse oder Nationalität. 

Wir hatten beide das Privileg einer universitären Ausbildung, aber wir haben die Uni oft als befremdlichen Ort wahrgenommen, weil wir nicht mit den vorausgesetzten Verhaltensweisen inklusive eines bestimmten Vokabulars aufgewachsen sind. 

Wir saßen in Seminarräumen, in denen Kommiliton*innen Begriffe, Konzepte und Namen von Theoretiker*innen erwähnten, die nichts mit den Texten, die wir für die Lehrveranstaltungen lesen sollten, zu tun hatten. Manchmal, aber nicht immer, kam uns ein Name vage bekannt vor, aber wir hätten kein Zitat oder ausformuliertes Argument anbringen können. 

Obwohl wir vorbereitet ins Seminar kamen, schienen viele andere, passendere Voraussetzungen zu haben – oder sie waren zumindest in der Lage, so zu tun. Für eine von uns ist Deutsch eine Zweitsprache, die oft wenig einladend ist. Termine bei Ärzt*innen oder Behörden vermitteln den Eindruck, dass Gesprächspartner* innen auf dich herabschauen, wenn du nicht „korrekt“ Deutsch sprichst. 

Wenn du die bürokratische Sprache nicht verstehst, die dir sagt, was du tun sollst, kann die Annahme entstehen, du seist unfähig, den Instruktionen zu folgen. Manchmal reagieren Leute dann herablassend oder sprechen lauter, damit du sie besser verstehst. Beides ist unangenehm. Beides gibt dir das Gefühl, fehl am Platz zu sein.

Hier haben wir also darüber geschrieben, in welchen Situationen wir Sprache oder bestimmte Sprechweisen als ausschließend empfunden haben. 

Jetzt, wo ich es euch vorgelesen habe, fällt mir auf, dass es oft Situationen waren, in denen uns die Worte gefehlt haben. Also bestimmte Begriffe, die gezeigt hätten, dass wir im Uni-Seminar zu den Wissenden gehören, die sich in diesem Umfeld wie ganz selbstverständlich bewegen. Oder deutsche Wörter, weil Deutsch – nicht für mich, aber für Lucy, meine Co-Autorin – eine Fremdsprache ist. Ich habe ähnliches mit anderen Sprachen erlebt, in den Zeiten, in denen ich im Ausland gelebt habe. Vielleicht kennt ihr auch Situationen, in denen ihr das Gefühl hattet, dass euch die Worte fehlen, um euch selbst zu vermitteln.

Ich finde es auf jeden Fall total unangenehm, in einen Raum zu kommen und mich irgendwie falsch zu fühlen oder nicht gehört zu werden. 

Um so bereichernder war es für mich, z.B. durch die Beschäftigung mit Feminismus ein Vokabular zu bekommen, dass mir geholfen hat, manche dieser Situationen zu benennen. Das klingt vielleicht übertrieben, aber ich habe schon oft gedacht, Feminismus hat mich in gewisser Weise gerettet, unter anderem weil er mir eine Sprache gegeben hat, der mich die Welt und bestimmte Erfahrungen, die ich in ihr mache, besser verstehen lässt. 

Deshalb schreiben wir im Vorwort von „Macht Sprache: Ein Manifest für mehr Gerechtigkeit“ Folgendes – ich lese wieder vor:

In anderen Situationen erlebten wir Sprache als wirksames Werkzeug, mit dem wir diskriminierende Strukturen benennen können. 

Dafür danken wir den Denker*innen, die uns mit nützlichem Vokabular und Konzepten ausgestattet haben. 

Einen Begriff für etwas zu haben kann ermöglichen, ein Erlebnis nicht mehr als Einzelfall, Ausnahme oder unglücklichen Zufall zu verstehen, sondern als Teil von größeren Strukturen. 

Ein Beispiel dafür wäre „Manspreading“, um zu beschreiben, dass Männer manchmal überproportional viel Raum einnehmen – wenn sie viel Redezeit für sich beanspruchen, so wie in dem zuvor beschriebenen Meeting, oder physisch, wenn sie breitbeinig in einer U-Bahn sitzen und ohne Rücksicht auf die Person neben ihnen mehr als einen Sitzplatz vereinnahmen. 

Manspreading ist in einer patriarchalen Gesellschaft keine Seltenheit. 

Bevor das Phänomen benannt wurde, wirkte es auf diejenigen, denen auf diese Weise Raum genommen wurde, vielleicht wie ein schwammiges Gefühl. Vielleicht stellten sie sich selbst und das Gefühl infrage. 

Jetzt, wo Manspreading einen Namen hat, kann ein Gespräch darüber entstehen, wie unterschiedlich sich Menschen verschiedener Geschlechter im öffentlichen Raum bewegen (können).

Schon bevor ich das Wort „Manspreading“ kannte, ist mir oft aufgefallen, dass viele meiner männlichen Freunde oder Verwandten sich im öffentlichen Raum ganz anders bewegen. Dass mein Impuls eher ist, mich kleiner zu machen, nicht im Weg zu sein, darauf zu achten, dass alle genug Platz und genug Redezeit bekommen oder dass ich versuche, Leute aktiv mit ins Gespräch reinzuziehen. 

Als ich den Begriff „Manspreading“ kennenlernte, war das wie eine kleine Erleuchtung für mich. Genau wie „Mansplaining“ oder „Mental Load“.

Witzig eigentlich, dass mir gerade als erstes lauter englischsprachige Beispiele eingefallen sind. Es gibt ja viel Kritik daran, dass Englisch so viel Einfluss auf die Deutsche Sprache nimmt. Wir haben im Buch ein ganzes Kapitel dazu, warum es trotzdem in manchen Situationen nützlich sein kann, Begriffe aus anderen Sprachen zu übernehmen – zumindest vorerst. Das lest ihr dann vielleicht…. 

Auf jeden Fall haben unsere persönlichen Erfahrungen mit Sprache dazu geführt, dass wir uns bewusster mit Sprache und ihrer Macht auseinandersetzen wollten. 

Dabei wurde uns aber schnell klar, dass unsere eigenen Perspektiven begrenzt sind. Meine unterscheidet sich von Lucys, wir sind in verschiedenen Ländern – auf unterschiedlichen Kontinenten – aufgewachsen, die je eigene Geschichten haben, was unsere Perspektive auf die Welt prägt. Was wir mögen, wie und wo wir arbeiten, mit wem wir Beziehungen führen oder zusammenleben – all diese Dinge unterscheiden sich. 

Aber dennoch ist es so, dass unsere Biografien, wie eigen und speziell sie auch sein mögen, sich in größere historische Zusammenhänge und Machtgefüge einfügen. 

Auch die Begrenztheit unserer Perspektive sprechen wir direkt im Vorwort an:

Die Perspektive, die wir in diesem Buch auf Fragen rund um Diskriminierungskritik teilen, ist durch unsere Positionierungen eingeschränkt. 

Daraus leiten wir die Verpflichtung ab, über unsere eigenen Positionierungen hinauszudenken, uns auf weitere Perspektiven einzulassen und von ihnen zu lernen. 

Dabei werden wir unweigerlich Fehler machen. 

Als weiße Frauen nehmen wir die Kritik am weißen Feminismus von feministischen Denkerinnen wie Sara Ahmed, bell hooks und Chandra Mohanty ernst, dass es Schaden anrichten kann, Diskriminierung nur unter den Aspekten zu betrachten, die uns persönlich betreffen. 

Deshalb bemühen wir uns, intersektional zu denken und Diskriminierungsformen mit in unsere Überlegungen einzubeziehen, von denen wir selbst nicht direkt betroffen sind. Aber wie sehr wir uns auch anstrengen, werden wir die Kluft, die zwischen angelesenem Wissen und gelebten Erfahrungen existiert, nicht überbrücken können. 

Unsere Bemühungen stellen einen fortlaufenden Prozess dar, der nie vollständig abgeschlossen sein wird. Das Lernen geht weiter.

Wir hoffen, mit diesem Buch einen Beitrag zu einer produktiven Diskussionskultur über diskriminierungskritische Sprache zu leisten. 

Die Arbeit, auf diskriminierende Strukturen aufmerksam zu machen, sollte nicht nur den Menschen aufgebürdet werden, die am meisten unter ihnen leiden. 

Nur weil wir Frauen sind, wollen wir nicht immer die Männer in unserem Umfeld über Sexismus aufklären müssen. 

Nur weil eine Person mit einem Rollstuhl unterwegs ist, muss nicht sie es sein, die das Verkehrsunternehmen darauf aufmerksam macht, dass die Straßenbahn nicht barrierefrei ist. 

Diese Arbeit können alle Mitglieder einer Gesellschaft leisten, wenn sie diese gerechter gestalten möchten.

Also, uns ist es wichtig, in dem Buch klar zu machen, dass wir selbst Lernende sind und versuchen mit einer gewissen Demut an die Themen heranzugehen. Wir versuchen uns als Lernende an dem Prozess zu beteiligen, Gespräche über Sprache und Diskriminierung produktiver zu machen. 

Wir hoffen, das gelingt uns zumindest ein bisschen. Aber das werdet ihr, falls ihr das Buch lest, uns sicherlich rückmelden können. 

Im Vorwort gehen wir auch noch darauf ein, wie die Arbeit an poco.lit. und macht.sprache. in gewisser Weise ein Auslöser für das Buch war. 

Das bilinguale Online-Magazin poco.lit. haben wir 2019 gegründet. Wir wollten gerne die Sichtbarkeit von postkolonialen Themen und postkolonialer Literatur in Deutschland und darüber hinaus vergrößern. 

Seitdem gibt es jede Woche eine Buchrezension, einen Essay oder ein Interview auf poco.lit. und zwar immer auf Deutsch und auf Englisch. Und dieser Podcast ist in gewisser Weise eine Weiterführung des Online-Magazins.

Unser Interesse für diese Art von Literatur entspringt einer Liebe für das Geschichtenerzählen, aber auch persönlichen oder familiären Verbindungen mit verschiedenen (post-)kolonialen Kontexten wie Deutschland, Kanada, Indien oder Südafrika.

Ich habe zum Beispiel Familie in Kanada und habe eine Zeit lang dort bei meinen Verwandten gewohnt. Mir ist damals aufgefallen, dass die meisten meiner Mitschüler*innen an der High School Vorfahr*innen aus England, Schottland, Irland, Deutschland oder Polen hatten. Auf mich und meine Verwandten traf das auch zu. Ich habe mich darüber gewundert. Aber ich habe erst, als ich später in Deutschland englische Literatur- und Kulturwissenschaften studiert habe, den Begriff „Siedlungskolonialismus“ kennengelernt. Damit sind europäische Kolonialist*innen gemeint, die Land in Besitz nahmen, um dort zu bleiben. Die Folgen davon habe ich in Kanada in meinem Alltag wahrgenommen, konnte es aber zunächst nicht benennen.

Und auch über die deutsche Kolonialgeschichte lernte ich erst im Englisch-Studium. Daher die Idee zu poco.lit., um dieses Wissen über koloniale Zusammenhänge bekannter zu machen.

Dadurch, dass wir poco.lit. auf Englisch und Deutsch betreiben, stießen wir immer wieder vor die Herausforderung, sehr kontextspezifische Begriffe übersetzen zu müssen, Begriffe, die mit Rassismus und anderen Formen von Diskriminierung zu tun haben. Wir haben uns immer wieder gefragt, wie wir damit umgehen sollen. Und unsere Gespräche untereinander waren hilfreich. Aber wir wollten, das Gespräch noch erweitern, es um weitere Perspektiven ergänzen. 

Also starteten wir 2021 zusammen mit zwei weiteren Kollegen das Projekt macht.sprache.

Die Web-App bietet einen Raum für den kollaborativen Aufbau von Wissen für eine diskriminierungskritische Übersetzungspraxis zwischen Englisch und Deutsch. 

Nutzer*innen können diskriminierende Begriffe und weniger diskriminierende Alternativen sammeln, diskutieren und bewerten. 

Dieses Wissen fließt in ein digitales Tool, das Textausschnitte auf diskriminierende Wörter überprüft. 

macht.sprache. ist ein Projekt, das dank gelegentlicher Fördermittel existiert und Interessierten frei zur Verfügung steht. 

Das bedeutet, dass sich Menschen mit unterschiedlichen Wissensständen und Fachkenntnissen austauschen können, die darüber hinaus jeweils eigene Erfahrungen mit verschiedenen Arten von Diskriminierung gemacht haben.

Als wir macht.sprache. starteten, begannen wir auch gezielt Diskussionsveranstaltungen und Workshops mit verschiedenen Expert*innen durchzuführen, die irgendwie mit Sprache arbeiten und dies bewusst aus unterschiedlichen Positionierungen tun. Wir haben zum Beispiel Veranstaltungen mit Lann Honrscheidt, Seyda Kurt, Mirjam Nünning, Michaela Dudley, Khairani Barokka usw. durchgeführt. Viele der Personen, mit denen wir bei unseren Veranstaltungen sprechen konnten, zitieren wir im Buch. Wir konnten durch sie so viel lernen! Ihr könnt teilweise auch Aufnahmen der Veranstaltungen auf unserem Youtube Kanal finden. 

Und jetzt lese ich euch noch den Schluss des Vorworts vor: 

Unser bescheidener Beitrag in diesem Buch besteht in erster Linie darin, das Wissen unserer Recherchen und Gespräche zusammenzutragen und zu kuratieren. Wir haben zwar einen akademischen Hintergrund, dieses Buch entspringt jedoch unseren Erfahrungen aus der Praxis, und wir versuchen, möglichst zugänglich und praxisorientiert zu schreiben (ob uns das gelingt, ist eine andere Frage).

Und dann lasse ich ein paar Zeilen aus. 

Das Buch dürfte für diejenigen am nützlichsten sein, die in Bezug auf Sprache und Diskriminierung viele offene Fragen haben. Wir schreiben für diejenigen, die uns um Ressourcen gebeten haben, und auch für diejenigen, die den polarisierenden Stil, in dem sprachliche Diskriminierung manchmal öffentlich diskutiert wird, befremdlich finden. Wir möchten zu einer produktiveren und differenzierteren Diskussionskultur über den Sprachwandel beitragen, damit sich mehr Menschen eingeladen fühlen, sich an ihr zu beteiligen.

Damit endet das Vorwort und dann geht’s richtig los. 

Im ersten Teil gehen wir in 3 Kapiteln, auf Positionierung, Privilegien und Macht ein, also auf unser grundsätzliches Verständnis von Sprache  und Diskriminierung und die größeren Strukturen.

In Teil 2 legen wir die Grundprinzipien dar, die als Handlungsmaßstäbe für das Streben nach einer diskriminierungskritischen Sprachpraxis dienen können. Da geht es um die politischen Dimensionen sprachlicher Entscheidungen, um Demut und um den Umgang mit verletzender Sprache.

Teil 3 stellt dan konkrete Handlungsoptionen vor, die für eine diskriminierungskritische Sprachpraxis nützlich sein können. In dem Teil gibt es unter anderem Kapitel zu verschiedenen Schreibweisen, zu Metaphern, zur kontextspezifität von Sprache und zu Humor und weiteren Aspekten.

So viel als kleine Einführung in das Buch „Macht Sprache: Ein Manifest für mehr Gerechtigkeit“. Vielleicht ist es ja für einige von euch interessant? 

Es erscheint am 26.9. und ihr könnt es in der Buchhandlung eurer Wahl vorbestellen.

Normalerweise würden an dieser Stelle Buchempfehlungen einer Berliner Buchhandlung folgen. Aber heute nutze ich die Gelegenheit, um euch Bücher und Shows zu empfehlen, die wir im Buch erwähnen.

  1. Intersektionalität als kritische Sozialtheorie von Patricia Hill Collins

Full disclosure: Ich habe dieses Buch gemeinsam mit Daphne Nechyba und Echo Foidl ins Deutsche übersetzt. Und alle, die mich in der Zeit getroffen haben, wissen, wie begeistert ich von dem Buch bin und wie oft ich in der Zeit gesagt habe: „Also Patricia Hill Collins sagt, das und das…“

Es ist ein wissenschaftliches Buch, keins, das sich mal eben so weg liest. Auch beim übersetzen habe ich manchmal einen ganzen Tag für eine einzige Seite gebraucht… 

Aber wenn ihr Kapazitäten für eine Auseinandersetzung mit dem Buch habt, würde ich sagen, lohnt es sich bestimmt. 

Collins schaut sich Intersektionalität als analytisches Forschungswerkzeug und als kritische Praxis an. Sie blickt zurück auf die Anfänge, wann und warum Intersektionalität eingeführt wurde und wie schnell und weit sich die Idee der Intersektionalität verbreitet hat. Sie erklärt, dass die Verbreitung einerseits total super ist, aber dann die Gefahr besteht, dass sich die Ideen hinter diesem Konzept verwässern. Daher ist es Collins ein Anliegen, die Konturen dieses Konzepts zu schärfen, damit Intersektionalität weiterhin relevant bleibt. 

  • Blutbuch von Kim de l’horizon

Im Macht Sprache Buch sprechen wir darüber, dass einige Menschen genderinklusive Schreibweisen kritisieren, weil sie Texte verunstalten würden. 

Wir erwähnen dann, dass die Belletristik – also die schöne Literatur – vielleicht ermöglichen kann, Schönheit zu erkennen und auch neu zu definieren. 

Und an der Stelle kommt Kim de l’Horizons Blutbuch ins Spiel. Dieser autofiktionale Roman hat 2022 den Deutschen und den Schweizer Buchpreis erhalten, einerseits, weil es so eine unglaublich spannende Familiengeschichte ist, aber andererseits auch gerade weil Blutbuch mit bestehenden sprachlichen Genderkonventionen bricht.

Also große Leseempfehlung!

  • Die Comedy Show Nanette Hannah Gadsby

Ich habe sie auf Netflix gesehen.

Hannah Gadsby ist eine australische Komödiantin. 

In der mehrfach preisgekrönten Comedyshow spricht Gadsby verschiedene Formen heteropatriarchaler Gewalt an – und schafft es, das mit ziemlich leichter Hand zu tun.  

Gadsby weist wiederholt darauf hin, sie müsse mit ihrer bisherigen Art von Comedy aufhören. Und das macht ihre Show zu etwas Besonderem. 

Sie erklärt, dass sie, die als Lesbe extrem schmerzhafte Erfahrungen von Ausschluss und Abwertung gemacht hat, bisher in ihren Witzen vor allem mit Selbstabwertung gearbeitet habe: „Ich habe mich selbst schlechtgemacht, um die Erlaubnis zu bekommen, zu sprechen.“

Sich selbst dem Verständnis der Mehrheitsgesellschaft entsprechend lächerlich zu machen, schien für den Moment auf der Bühne zu einer fragilen Akzeptanz zu führen. 

Doch nun führt Gadsby ihrem Publikum vor, wie perfide diese Art von Comedy war: Sie macht zwar weiterhin Witze und Pointen, scheint aber bewusst dafür zu sorgen, dass ihrem Publikum das Lachen immer wieder im Hals stecken bleibt, indem sie ihre Geschichten weiter ausschmückt, damit ihr Schmerz kein Witz bleibt, sondern als solcher nachvollziehbar wird. 

Sie macht, das, weil Geschichten ihrer Ansicht nach eine heilende Wirkung haben. Gadsby erklärt: „Lachen ist nicht unsere Medizin. Geschichten sind unser Heilmittel. Lachen ist nur der Honig, der die bittere Medizin süßt.“

Das waren meine 3 Empfehlungen für heute. 

Jetzt möchte ich euch noch einladen zum poco.lit Community Event am 28.9. im Satellit in Berlin. Wir machen ein klein bisschen Programm, aber hauptsächlich freuen wir uns, euch mal persönlich zu treffen. Alle Infos findet ihr auf pocolit.com.

Außerdem noch der kurze Hinweis, dass ihr helfen könnt, die verschiedenen Formate von poco.lit. nachhaltiger und unabhängiger zu machen: Ihr könnt unsere Arbeit über Steady unterstützen.

Vielen Dank fürs Zuhören, macht’s gut und bis zum nächsten Mal.

01: Von Kolonialismus zu Antikolonialismus: Die englische Sprache und afrikanische Literatur

Was hat Kolonialismus mit Sprache zu tun? Und wie wehren sich ehemals Kolonisierte gegen den Eurozentrismus? Welche Strategien verwenden sie beispielsweise in der Literatur?

In dieser Folge sprechen wir über den gewaltsamen Export von europäischen Kolonialsprachen und die berühmte Debatte unter afrikanischen Intellektuellen, welche Sprache sie verwenden sollten. Beispielhaft ziehen wir die Positionen von Chinua Achebe und Ngũgĩ wa Thiong‘o heran. Wir Sprechen über afrikanische Literatur, sprachliche Strategien der Selbstermächtigung und den Erhalt indigener Sprachen.

Ihr bekommt auch eine Menge Lesetipps!

Shownotes

Transcript

Einführung
Gespräch Anna und Susi
Buchempfehlungen
Abschied

Einführung

Gespräch Anna und Susi

Anna von Rath: Ganz herzlich willkommen beim Podcast von poco.lit. Einige von euch kennen poco.lit. vielleicht schon von Social Media oder vielleicht habt ihr auch schon mal den ein oder anderen Beitrag aus unserem Onlinemagazin gelesen. Poco.lit. ist ein Projekt von mir, Anna von Rath und von Lucy Gasser und Susi Peter. wir drei lesen gerne ganz viele Bücher, und wir arbeiten alle auch irgendwie mit Literatur und Sprache. Als Literaturübersetzerin, als Uni-Dozentin in den Literaturwissenschaften oder als Linguistin und wir interessieren uns dabei ganz besonders für eine kritische Auseinandersetzung mit Machtverhältnissen.

Dieses Interesse bündeln wir im Rahmen von poco.lit, das eigentlich eine Plattform für postkoloniale Literatur im weitesten Sinne sein soll. Bei unserer Arbeit verstehen wir das Postkoloniale als Aufforderung, die anhaltenden Auswirkungen des Kolonialismus auf die Welt uns herum zu betrachten. Wir stellen also ganz viele Fragen: Wie sind Macht und Reichtum verteilt? Wie sind die Beziehungen zwischen dem globalen Süden und Norden? Welche kolonialen Praktiken gibt es heute noch, die kritisiert werden sollten? Postkolonialismus hat sich zu einem Oberbegriff für das kritische Hinterfragen einer ganzen Reihe von Themen entwickelt. Zum Beispiel Rassismus, Nationalismus, Migration, kulturelle Identität, Repräsentation, Feminismen, Wissensproduktion und so weiter.

Und bisher haben wir diese Themen in unserem Onlinemagazin oder bei Veranstaltungen mit spannenden Gästen diskutiert. Und jetzt wollen wir mit diesem Podcast ein neues Format ausprobieren und wir hoffen, wir bekommen das so hin, dass ihr gerne zuhört. Neues auszuprobieren ist ja auch immer erst mal ein bisschen aufregend.

In unserer ersten Staffel wird sich alles die Sprache postkolonialer Literatur drehen. Auf welchen Sprachen wird sie geschrieben und warum steckt da eine Bewertung von Sprachen drin? Was ist mit lokalen Eigenheiten und wie hat sich die Sprache postkolonialer Literatur mit der Zeit gewandelt, also was es mit historischen Kontexten?

Und heute fangen wir damit an. Ich spreche mit, Susi darüber, welchen Einfluss der Kolonialismus auf die Verbreitung oder Verdrängung von bestimmten Sprachen genommen hat und wie sich das auch heute noch in der Literatur widerspiegelt.

Ganz am Ende der Folge gibt es dann noch ein paar Buchempfehlungen von einem tollen Berliner Buchladen, bei dem es sich auf jeden Fall lohnt, mal vorbeizuschauen.

Und jetzt viel Spaß mit der Folge.

Anna: Ich wollte heute mit dir ein bisschen darüber sprechen, in welcher Sprache eigentlich Bücher aus ehemals kolonisierten Ländern geschrieben werden sollten, auf den indigenen Sprachen oder in den europäischen Sprachen, also den Kolonialsprachen, die mittlerweile oft auch Landessprachen in den verschiedenen Ländern sind. Und dafür als Ausgangspunkt finde ich ganz hilfreich oder spannend, den Satz von dem berühmten kenianischen Schriftsteller Ngugi wa’Thiongo, der mal gesagt hat: „Auf die Nacht der Kugel und des Schwertes folgte der Morgen der Kreide und der Tafeln“. Also Europäische Sprachen wurden gewaltsam exportiert, und das war ein Ausdruck von Macht, das Europäer*innen der lokalen Bevölkerung in kolonisierten Gebieten die eigenen Sprachen und Denk und Glaubenssysteme aufgezwungen haben. Und es spiegelt sich halt heute auch noch in der Literatur wider.

Susi: Als Linguist in oder aus linguistischer Perspektive finde ich immer wieder ganz spannend.:Wo kommt der Gedanke her, dass es bessere und schlechtere Sprachen gibt? Was man auch auf die Kolonialzeit zurückführen kann und auch was für Auswirkungen die Kolonialzeit auf Sprachen hat. Das hat natürlich einmal zu sehr viel Sprachkontakt geführt und auch zu neuen Sprachen, was wir Kreolsprachen nennen, aber auch dazu, dass Sprachen verdrängt wurden, unterdrückt worden und auch sehr, sehr viele Sprachen verloren gehen dadurch. Das ist, was wir heute immer noch sehen können, wie viele Sprachen eigentlich gefährdet sind durch die Kolonialzeit.

Anna: Ja, genau, und wir wollen das heute ein bisschen konkret machen und nicht so abstrakt bleiben und deshalb haben wir uns dafür ein Beispiel rausgepickt. Was auch mit dem schon erwähnten kenianischen Schriftsteller Ngugi wa’Thiongo zu tun hat. In den 1950er und 1960er Jahren wurde in afrikanischen Ländern unter afrikanischen Intellektuellen nämlich genau diese Frage diskutiert: Auf welchen Sprachen sollen wir eigentlich schreiben? Ngugi wa’Thiongo war eine wichtige Stimme in dieser Debatte und auch eine der bekanntesten Stimmen in dieser Debatte.

Die andere bekannte Stimme ist der nigerianische Autor und Wissenschaftler Chinua Achebe. Beide leben in oder lebten in ehemals britischen Kolonien. Deshalb ging es bei ihnen um die Wahl zwischen Englisch und indigenen Sprachen. Aber die ganze Debatte lässt sich natürlich auch auf andere Kolonialsprachen übertragen. Und die Positionen von den beiden können sich so vereinfachen lassen, dass Achebe sich für die Nutzung der englischen Sprache in der afrikanischen Literatur aussprach und Ngugi war dagegen. Er war letztendlich so konsequent, dass er sich irgendwann entschieden hat, gar nicht mehr auf Englisch zu schreiben, sondern auf seiner Erstsprache auf Kikuyu. 

Susi: Find ich unglaublich spannend, da es ist ja wirklich sehr gegensätzliche Positionen sind. Was sind die Gründe dafür?

Anna: Ich habe natürlich extra die extremen Positionen jetzt rausgesucht. Das Spannende ist natürlich sich anzugucken was sind die Argumente dafür oder dagegen?

Ngugi hat in Kenia Englisch studiert, und die Uni dort war ein Teil des University College of London oder ich glaube nur University, College London. Englisch stand für Privilegien, für Prestige und auch für sozialen Aufstieg. Für ihn bedeutete dann weiterhin auf Englisch zu schreiben, sich auch in gewisser Weise dem englischen Literaturkanon zu unterwerfen, sich diesem Kanon anzupassen und damit letztendlich koloniale Strukturen aufrecht zu erhalten. Ngugi wollte das Englische, die Kolonialsprache, mit seiner Arbeit nicht bereichern. Denn genau das würde sozusagen auf Kosten der lokalen Sprachen passieren, die auf diese Weise abgewertet würden oder sogar aussterben könnten.

Und das ist ja auch das, was dich als Linguistin besonders interessiert, nämlich dieses Sprachsterben, und vielleicht kannst du dazu noch ein bisschen was erzählen.

Susi: Ja, sind total spannende und interessante Punkte, die er da macht. Also einmal kann man wirklich sagen, dass auf jeden Fall lokale Sprachen abgewertet wurden, schon damals in der Kolonialzeit Das die Sprachen vor allem im Vergleich zu westlichen Sprachen, als simpel und primitiv bewertet wurden, weil westliche Sprache vermeintlich komplexer sind. Man spricht heute auch von Linguizismus, was eine spezielle Form des Rassismuses ist, bei dem Menschen diskriminiert werden, die mit einer bestimmten Sprache sprechen oder einen bestimmten Dialekt.

Das können wir einmal sehen, das indigene Sprachen abgewertet wurden, nach wie vor werden aber wir sehen das auch in unserem Alltag, das Französisch oder Englisch sehr viel positiver bewertet wird als Sprachen wie Arabisch oder Türkisch. Dazu werden wir in unserer zweiten Folge sprechen mit Olga Grjasnowa, die das Buch geschrieben hat „Die Macht der Mehrsprachigkeit“ 

Der Punkt, der noch gemacht wurde, ist ja auch das Sprachen sogar aussterben können. Und das ist auch was, was durch die Kolonialzeit ohne Frage passiert ist.

Man spricht eigentlich von vier Formen des Sprachsterbens. Es gibt einmal den „Bottom-to-top“-Sprachtod. Sowas ganz typisches sind Sprachen, die irgendwie noch existent sind, aber nicht mehr gesprochen werden. Latein ist ein Beispiel oder im Yoga ist Sanskrit vorherrschend, was die Texte angeht, aber es wird halt eigentlich nicht mehr gesprochen.

Dann gibt es den plötzlichen Sprachtod. Das ist zum Beispiel, wenn Naturkatastrophe passiert sind oder Massaker. Es gibt ein Beispiel aus dem Jahr 1857, wo die Yeeman in Queensland in Australien von weißen Siedlern die ganze Bevölkerung getötet wurde und damit auch einfach die Sprache verloren gegangen ist. Das sind natürlich eher die seltneren Fälle. 

Ein radikaler Sprachtod geht in so eine ähnliche Richtung. Das ist zum Beispiel, wenn etwas Traumatisches passiert ist. Das war in El Salvador in 1932, wo auch die indigene Bevölkerung von Weißen umgebracht wurde, es wurden nicht alle Personen umgebracht und um sich dann zu verstecken, haben sie die Sprache nicht mehr gesprochen. Sie haben ihre indigene Sprache nicht mehr gesprochen, damit sie nicht identifiziert werden können.

Letztendlich der Sprachtod, dem wir am häufigsten begegnen, ist der stetige und das ist halt, das Sprachen verdrängt werden nach und nach. Dass sie, wenn man sich zum Beispiel die Kolonialzeit anguckt, dass das Englische, das Spanische, Französische oder andere koloniale Sprachen, auch das Deutsche, überhandgenommen hat. Dass die indigenen Sprachen aus dem öffentlichen Raum immer mehr verdrängt wurden, vielleicht nur noch privat gesprochen wurden. Das ist wirklich was, was über Generationen passiert, dass die Sprache dann nach und nach einfach verschwindet.

Ich kenn das auf persönlicher Ebene mit Plattdeutsch, was natürlich nicht vergleichbar ist, was in der Kolonialzeit passiert ist. Aber bei mir ist es zum Beispiel so, dass meine Großeltern noch Plattdeutsch gesprochen haben. Und das auch sehr viel. Meine Mutter Plattdeutsch noch wirklich komplett verstehen konnte und ich nur zum Teil. Ich kann es auch nicht sprechen und so verschwindet die Sprache dann halt komplett nach und nach.

Anna: Ja das ja total dramatisch, weil mit den Sprachen die verschwinden sozusagen regelrecht getötet oder verdrängt werden, verschwindet ja auch ganz, ganz viel lokales Wissen, verschiedene Denkweisen, Perspektiven auf die Welt und von daher sind Ngugis Argumente nur noch auf Kikuyu zu schreiben eigentlich total gut nachvollziehbar und trotzdem gabs ja Stimmen wie eben der Erwähnte Chinua Achebe aus Nigeria, der gesagt hat, er will unbedingt Englisch benutzen.

Susi: Noch ein wichtiger Punkt vielleicht. Wir haben so auf der Welt ungefähr, es ist schwer zu schätzen. Man sagt immer so zwischen 6.000 – 7.000 Sprachen, wovon der Großteil bedroht ist, und das sind halt hauptsächlich indigene Sprachen. Auch wenn immer wieder versucht wird, die Sprachen wiederzubeleben, zum Teil auch erfolgreich, aber das geht nur mit politischem Willen. Aber Expert*innen sagen, dass wir ungefähr von diesen sechs bis 7000 Sprachen nur 600 sicher sind alle anderen werden wahrscheinlich irgendwann verloren gehen. 

Anna: Aber gerade jetzt zu dieser Wiederbelebung. Also du hast jetzt gesagt das geht nur mit politischen Willen, aber da können ja schon Schriftsteller*innen auch einen Beitrag leisten oder nicht?

Susi: Ja, würde also würde ich auf jeden Fall sagen, dass Schriftsteller*innen die Bedeutung der indigenen Sprachen zeigen können. Ja, auf jeden Fall. Aber du hattest ja gesagt, das Achebe argumentiert hat, auf Englisch zu schreiben. Was waren seine Argumente dafür? Weil es natürlich auch schon eine, finde ich, ziemlich überraschende Position ist.

Anna: Ja, also Achebe sagt unter anderem, dass Englische war eine wichtige Lingua Franca für Menschen aus verschiedenen Teilen des afrikanischen Kontinents. Das Englisch konnte den Menschen dort helfen, sich untereinander zu verständigen, und halt sozusagen die Sprachbarrieren, die durch die ganz vielen unterschiedlichen Sprachen entstanden sind, überwinden. Und so konnte Englisch sogar auch nützlich sein für antikoloniale Kämpfe und um Koalitionen zu bilden.

Und Achebe betrachtet außerdem Englisch als sein Erbe. Also er ist in Nigeria aufgewachsen und in Nigeria ist Englisch die Landessprache. Obwohl die Sprache durch den Kolonialismus dorthin gebracht wurde, ist es auch seine Sprache. Achebe ging davon aus, dass er diese Sprache, die auch seine Sprache ist, seinen eigenen Bedürfnissen entsprechend anpassen und formen kann. Es wird ihm auch nachgesagt, dass er das Englische auf eine einzigartige Art und Weise verwendet hat.

Susi: Wie sah das aus? Kann zum Beispiel nennen, was sein Englisch so einzigartig gemacht hat?

Anna: Ja klar, also Achebes berühmtester Roman ist „Things Fall Apart“. Der ist auf Englisch geschrieben, er verwendet in dem Text aber hin und wieder Begrifflichkeiten aus dem Igbo, und er nutzt nigerianische Sprichwörter, Metaphern oder Sprachrhythmen in seinem Englisch.

Und vielleicht noch ein Satz zu „Things Fall Apart“. Es erzählt die Geschichte von einem Igbo-Dorf in Nigeria in den 1890er Jahren, geht so viel persönliche Geschichten von Dorfbewohner*innen, den Alltag und auch die Auswirkungen des britischen Kolonialismus.

Und dadurch, dass das Buch auf Englisch geschrieben wurde, konnte es sehr leicht auch auf der ganzen Welt verkauft werden, weil er unheimlich viele Menschen Englisch sprechen. Damit hat Chinua Achebe die Möglichkeit genutzt, seine Perspektive wirklich weit zu verbreiten. Genau das hat dann auch dazu geführt, dass das Buch in viele andere Sprachen übersetzt wurde. Es hat sich wirklich sehr, sehr gut verkauft.

Susi: Super. In was für einem Englisch wurde das geschrieben, war es nigerianisches Englisch? Weißt du das?

Anna: Ja genau, es ist teilweise ein paar Begriffen aus Igbo. Der Sprachfluss ist vielleicht nicht so wir ihn jetzt unbedingt aus Großbritannien kennen würden und so weiter. Also schon eindeutig eine Art von nigerianischem Englisch.

Susi: Weil das ist ja auch spannend, dass durch die Kolonialzeit natürlich auch zu Sprachkontakt kam, Kreolsprachen entstanden sind, auch total typisch für den karibischen Raum zum Beispiel. Und das hat auch eine total interessante Frage, weil es häufig als Dialekte angesehen wird und nicht als eigenständige Sprachen. Aber das vielleicht noch mal ein anderes Thema, was wir uns zu einem anderen Zeitpunkt angucken können. Aber du hast ja gesagt, dass die Debatte in den 60er Jahren stattfand. Wo steht die Debatte heute? Wird die nach wie vor geführt? Weißt du etwas darüber?

Anna: Die Debatte wird auf jeden Fall heute noch weitergeführt. Und was du gerade gesagt hast, fand ich auch total wichtig. Also Sprachkontakt ist immer beidseitig. Zwar waren jetzt die europäischen Kolonialisten in einer mächtigeren Position und haben sozusagen ihre Sprache deutlich weiterverbreitet und dafür gesorgt, dass sie durchgesetzt wurde, aber es geht auch in die andere Richtung, also dass die afrikanischen Sprachen Einfluss auf das Englische nehmen.

Und erst vor so ein paar Jahren hat die britische Journalistin Afua Hirsch ein Meinungsstück im Guardian geschrieben und der Titel von dem Stück war „Africa’s colonization of the English language continues apace“. Und sie sagt also darin, dass der Versuch, Afrikaner*innen davon abzuhalten ihre eigenen Sprachen zu sprechen, in gewisser Weise gescheitert ist. Und sogar mehr noch, dass mittlerweile Menschen in Großbritannien viele Vokabeln aus afrikanischen Ländern übernehmen.

Susi: Und wie sie das in zeitgenössische Literatur aus? Was für Bücher fallen dir ein, die man lesen kann?

Anna: Ja, es ist ja so, dass ich nur Bücher auf Englisch, Deutsch oder auch Spanisch lesen kann. Es werden auch definitiv immer noch sehr wenige Bücher aus afrikanischen Sprachen übersetzt. Und dann auch noch mal auf Achebe und Ngugi zurückzukommen. Ngugi wird größere Herausforderungen haben, Übersetzer*innen für seine Werke zu finden als jemand wie Achebe, der auf Englisch geschrieben hat. Aber was ich auch in den englischsprachigen, afrikanischen Büchern wahrnehme, ist ähnlich wie bei Achebe. Also es werden super viele lokale Redewendungen und Ausdrücke mit dem „Standard Englisch“ vermischt. Ich arbeite auch als Übersetzerin und ich habe zuletzt einen nigerianischen Roman von Francesca Ekwuyasi übersetzt „Butter, Honey, Pig Bread“. Da wird auf jeden Fall teilweise auch nigerianisches Pidgin gesprochen, oder es gibt einfach bestimmt Begriffe, die so in Nigeria üblich sind, die dann ins Englische integriert werden.

Aber was ich auch superwichtig finde es vielleicht nochmal – dadurch, dass wir hier in Deutschland sind und auch Deutsch sprechen – vielleicht nochmal auf die deutsche Debatte zu sprechen zu kommen.

Es gibt den Schriftsteller Abdulrazak Gurnah, der hat 2021 den Literaturnobelpreis bekommen, und der schreibt zwar auch auf Englisch, aber er schreibt über den deutschen Kolonialismus in Ostafrika. In seinem Roman „After Lives“ oder „Nachleben“, in der deutschen Übersetzung von Eva Bonné. Da gibt es eine Szene, in dem ein deutscher Offizier einem Askari, also einem afrikanischen Soldaten, versucht, Deutsch beizubringen. Der Offizier, das wird in dem Roman deutlich, geht davon aus, dass Deutsch die bessere Sprache ist, mehr wert als Kiswahili, und er hat irgendwie so eine zivilisatorische Mission vor Augen. Der Askari ist dem Offizier untergeordnet und muss sich dementsprechend anpassen, lernt auch Deutsch, aber er denkt sich auch seinen Teil. Also Gurnah deckt damit sozusagen dieses fälschliche Selbstbild der Kolonisierenden auf und hält ihn sozusagen so ein bisschen den Spiegel vor, weil wir in dem Roman die Stimme von dem Askari hören, der sich irgendwie denkt: „Was soll das?“.

In Deutsch gibt es weniger Romane, die sich mit der deutschen Kolonialgeschichte auseinandersetzen, aber es gibt auch für den deutschen Kontext ähnliche Geschichten und ähnliche Debatten wie die, die wir jetzt beispielhaft anhand Ngugi und Achebe skizziert haben.

Ich glaube, wir können so, wenn wir zum Schluss kommen wollen, auf jeden Fall festhalten, dass es wirklich gute Gründe gibt, auf indigene Sprachen zu schreiben, das ist aber auch gute Gründe, gibt auf Englisch zu schreiben, das Englische vielleicht mit den eigenen Mitteln oder für die eigenen Interessen anzupassen.

Und ich würde sagen, das Gleiche gilt auch für Deutsch, auch wenn jetzt unser Fokus wegen den Beispielen, die wir gewählt haben, eher auf Englisch lag. Genau, was nimmst du denn so mit jetzt aus unserem Gespräch?

Susi: Ich nehme aus dem Gespräch eigentlich mit, wie viel da verhandelt wird. Das diese Debatten geführt werden, das war was, was mir gar nicht so bewusst war. Gerade bei den Beispielen, die du nennst und das finde ich eigentlich ist eine sehr schöne Entwicklung, dass diese Mehrsprachigkeit gezeigt wird, in den Büchern, die vorhanden ist, wie vielfältig ein Sprachraum ist, dass eine Nation halt nicht nur eine Sprache hat und wie diese Machtstrukturen zustande gekommen sind.

Anna: Ja gut, dass du die Mehrsprachigkeit ansprichst, weil um Mehrsprachigkeit wird es auf jeden Fall und unserer nächsten Folge noch ganz ausführlich gehen. 

Buchempfehlungen

Zum Schluss gibt es jetzt noch ein paar Buchempfehlungen, und zwar von Intercontinental. Das ist die erste Buchhandlung in Deutschland, die spezialisiert ist auf afrikanische und afro-diasporische Literatur. Ihr findet den Laden in Berlin Friedrichshain in der Sonntagstraße 26. Und wenn ihr in Berlin seid, dann schaut da auf jeden Fall mal vorbei. Vom 28. bis zum 30. Juni richtet Interontinental übrigens auch noch das African Book Festival in Berlin aus, das wir euch auch noch sehr ans Herz legen wollen. Und jetzt zu den Empfehlungen.

Carla: Hallo, ich bin Carla von Intercontinental, und ich möchte gerne zwei Bücher aus unserem eigenen Verlagshaus empfehlen.

Der erste Roman ist von Mohamedou Ould Slahi „Die wahre Geschichte von Ahmed und Zarga“ übersetzt aus dem Englischen von Michaela Grabinger. Mohamedou Ould Slahi ist eigentlich Mauretanier, 16 Jahre Gefangener der USA in Guantanamo und hat dann den Roman auf seiner Dritt- beziehungsweise Viertsprache Sprache Englisch verfasst, mit seinem Lektor Larry Siems.

Die Geschichte des Romans hat aber eigentlich mit diesem Teil seiner Biografie nichts zu tun, denn sie spielt in der Sahara. Ahmed, ein Beduine, verliert eines Tages sein bestes Kamel und begibt sich dann auf deren Suche. Dabei erlebt er alles Bedrohliche und auch Schöne der Wüste. Sprachlich ist es insofern interessant, weil der Roman zwar nicht in Mohamedou Ould Slahi Muttersprache verfasst, aber viele Wörter und Begrifflichkeiten aus den Regionen vereint und transportiert. Ahmed, der Hirte, spricht Hassania. Das ist ein in beiden Teilen Mauretaniens gesprochene arabischer Dialekt mit Elementen aus dem Berberischen, dem Französischen, aber auch einer ganzen Reihe afrikanischer Sprachen.

Wir haben uns entschieden, diese Begriffe und Zitate aus dem Koran zum Beispiel oder auch von Gelehrten, alten Märchen, Geschichten so zu lassen, wie sie im englischen Original sind, weil wir finden, dass die Lesenden dadurch viel stärker noch mal in diese magische und zugleich gefährliche Wüste eintauchen zwischen Hitze, Einsamkeit, diesen Legenden, Jahrhunderte alten Geschichten, Kulturen. Das alles wird eben über Sprache transportiert, weshalb es uns wichtig war, diese Sprache weitestgehend zu erhalten. Der Autor hat sich hier auch für einen Glossar entschieden, dass wir entsprechend seinem Wunsch auch beibehalten haben beziehungsweise dann ins Deutsche übersetzt haben.

Hierbei war es noch mal total interessant, die verschiedenen Dialekte und Sprachen zu transkribieren, denn es gibt zum Beispiel für Hassania keine offizielle Schreibweise, wie es für das Arabische gibt, also keine Umschrift, die irgendwie offiziell anerkannt wäre. Ich habe dann mit dem Autor direkt Sprachnachrichten ausgetauscht, anhand derer ich die Umschrift für die Hassania-Worte zum Beispiel vorgenommen habe.

Genau und das alles um den Lesenden ein wirklich, authentisches Gefühl für den Klang der Sprachen zu geben, die in dieser Gegend leben, gesprochen werden und damit die Lesenden die Figuren auch näher zu bringen.

Das zweite Buch, das ich gerne empfehlen möchte, ist von Jennifer Nansubuga Makumbi. Ihr Roman „Die erste Frau“ ist 2022 bei uns im Intercontinental Verlag erschienen und erzählt die Geschichte von Kirabo, ihrem Aufwachsen und Erwachsen werden im ländlichen Uganda der 1970er Jahre. Über die Entwicklung ihrer Protagonistin thematisiert, Jennifer Nansubuga Makumbi ziemlich große Themen, die alle in irgendeiner Form mit dem Frausein zu tun haben. Es geht ums Patriarchat, Freundinnenschaft, Stadt-Land-Beziehungen, die Diktatur.

Der Roman spielt vor dem Hintergrund der Idi Amin Diktatur in dieser Zeit. Es geht um Mutterschaft, Familie und auch Selbstbestimmung, und vor allem geht es aber um die Geschichte von Frauen und der Tradition des ugandischen Feminismus auf Luganda „mwenkanonkano“ genannt. Womit wir eigentlich auch schon mitten im sprachlichen Teil dieser Buchempfehlungen werden, weil Jennifer Makumbi eine sehr klare Haltung hat wenn es bloß Haare oder Erklärungen ihrer Begrifflichkeiten im Falle „Der ersten Frau“ sind sie auf Luganda verfasst, hat. Sie macht in diesem Roman Sprache eigentlich damit selbst zum Thema und nutzt es nicht nur als Medium.

Während wir lesen, reisen wir immer auch in einen anderen Raum. Oft ist es eine ganz andere Kultur, und man kommt wie fragt sich meines Erachtens nach, zu Recht, warum hier immer alles den Lesenden so einfach gemacht werden sollte. Also in Gesprächen und Interviews, erklärt sie oft, das afrikanische Autor*innen bis in die 60er Jahre hinein für ein westliches Publikum geschrieben haben.

Das liegt daran, so meint sie, dass sie natürlich oft in den Kolonialsprachen Englisch und Französisch geschrieben haben, die viele in ihrem eigenen Land noch gar nicht lesen konnten. Und nach der Unabhängigkeit hatten sich die Systeme leider aufrecht erhalten und das bedeutet, dass viele der Bücher für ein Publikum geschrieben waren oder auch immer noch sind, dass es gewohnt war und ist, dass man ihnen Begriffe erklärt, die von weiter weg kommen.

Makumbi wiederum sagt, dass ihr zum Beispiel ja auch niemand erklärt hätte, was Frühling und Sommer ist. Und englische Schriftsteller*innen die auch sie damals konsumiert hat oder auch noch heute konsumiert, immer so schreiben würden, als würde die ganze Welt sie verstehen mit so einer Selbstverständlichkeit eben aus der Machtposition heraus. Und daher rührt ihre Politik das eigentlich nun auch so zu machen, mit ihren Büchern. Wie zum Beispiel in „Der ersten Frau“ ganz klar Begriffe nicht zu erklären, und dadurch verändert sich die Atmosphäre und der Ton der Bücher, was sie ganz wundervoll macht und wir absolut großartig finden, weil sie eben trotzdem funktionieren, da sieht man, das Literatur eben Dinge transportieren kann, ohne unbedingt dieselbe Sprache zu sprechen, die der Leser oder die Leserin spricht.

Wer „Die erste Frau“ liest, reist genau in dieses Uganda der 70er und 30er Jahre. Der Roman wird über mehrere Generationen erzählt und führt mit einer universellen Geschichte belohnt, die er war eben in einem ganz bestimmten Kontext spielt und da auch hingehört.

Abschied

Anna: Für diesen Podcast haben wir eine Projektförderung des Berliner Senats für Kultur und gesellschaftlichen Zusammenhalt erhalten. Wenn ihr helfen wollt, die verschiedenen Formate von poco.lit nachhaltiger und unabhängiger zu machen, dann könnt ihr unsere Arbeit über Steady unterstützen. Alle Informationen dazu findet ihr in den Shownotes. Vielen, vielen Dank fürs Zuhören schaut bis zur nächsten Folge gerne mal auf pocolit.com vorbei und wir freuen uns auch auf Instagram von euch zu hören dann bis zum nächsten Mal und machts gut.

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