Heutige Echos der Telegrafie von Nauen über Kamina nach Windhoek

Zu sehen ist Lene Albrechts Roman weiße Flecken, das Workbook From Windhoek to Kamina to Nauen und die Broschüre der Ausstellung Signale der Macht im Brandenburg Museum Potsdam

Heutige Echos der Telegrafie von Nauen über Kamina nach Windhoek

Auf die frühere Funkstation Kamina in der ehemaligen deutschen Kolonie Togo stieß ich zum ersten Mal 2024 in Lene Albrechts Roman Weiße Flecken. Die weiße deutsche Protagonistin Ellen besucht das Gelände, auf dem heute nur noch Überreste der zerstörten Funkstation zu finden sind. Ellen ist wegen eines Forschungsprojekts in Togo und sucht vor Ort nach den Spuren des deutschen Kolonialismus. Details über die Funktechnik als Instrument kolonialer Kontrolle liefert der Roman nicht. Die Szene ist mir hauptsächlich in Erinnerung geblieben, weil die Protagonistin sich dort verletzt und dies eine Art Wendepunkt in der Geschichte ist.

Als ich dieses Jahr von der Sonderausstellung „Signale der Macht: Nauen, Kamina, Windhoek“ im Brandenburg Museum in Potsdam über die wenig beleuchteten Aspekte der Geschichte der Funktechnologie hörte, hatte die Thematik dank Weiße Flecken gleich einen gewissen Wiedererkennungswert und weckte mein Interesse. Ich hatte schon an Touren durch Potsdam und Cottbus teilgenommen, bei denen lokale Initiativen auf bestimmte Gebäude, Denkmäler oder Persönlichkeiten mit kolonialen Verbindungen verwiesen. Nun war ich gespannt zu sehen, wie sich ein Museum mit Fokus auf Geschichte und Identität des Landes Brandenburg mit der Kolonialgeschichte auseinandergesetzt hatte.

Bei meinem Besuch lernte ich, dass die Großfunkstationen im brandenburgischen Nauen, in Kamina in Togo und in Windhoek in Namibia Anfang des 20. Jahrhunderts ein kolonial geprägtes Kommunikationsdreieck bildeten, wobei die Kontrolle über die Funkkommunikation ausschließlich bei den deutschen Machthabenden lag. Die deutsche Kolonialmacht ließ technisch fortschrittliche Stationen in Kamina und Windhoek für viel Geld, aber unter furchtbaren Bedingungen für die lokalen Arbeiter errichten. Nauen spielte nun eine Schlüsselrolle in der transkontinentalen Funkkommunikation zwischen Deutschland und seinen damaligen Kolonien – drahtlos konnten Nachrichten und Anordnungen in Echtzeit zwischen den Kontinenten übermittelt werden, was ausschlaggebend für die Koordination des Militärs und der Kolonialverwaltung sowie die Überwachung der kolonisierten Bevölkerung war. Die europäischen Kolonialmächte standen zu der Zeit in Konkurrenz zueinander und Frankreich und Großbritannien waren anders als Deutschland noch auf Kabel angewiesen, die leichter sabotiert werden konnten.

Die Ausstellung im Brandenburg Museum bietet einen ausführlichen Zeitstrahl der Entwicklungen von 1885 bis heute, denn obwohl die Deutschen die Funkstationen in Afrika kurz nach Beginn des Ersten Weltkriegs selbst zerstörten, damit die Technologie nicht in die Hände anderer europäischer Kolonialmächte fiel, endete die Geschichte damit nicht. „Signale der Macht“ zeigt die eindrucksvollen Arbeiten von Künstler*innen aus Namibia, Togo und Deutschland, die sich in Film und Ton aus heutiger Sicht der Thematik nähern. Frederike Moormann und Angelika Warniek aus Deutschland verweben in ihrer Installation heutige Sounds und Videobilder der drei Funkstationen mit Filmaufnahmen startender Raketen. Sie zeigen, wie verbunden Menschen und Orte sind, aber auch welche Gewaltausübung von den Mächtigen ausgeht, die diese Verbindungen zu Gunsten ihrer eigenen Interessen herstellen. Als nächstes werden zwei Ausschnitte aus dem Dokumentarfilm „Fragmente“ von Madjé Ayité gezeigt. Darin verwebt der togolesische Filmemacher die persönlichen Erinnerungen verschiedener Gesprächspartner*innen mit Aspekten der kolonialen Technikgeschichte. Zudem werden die Aufnahmen von zwei Performances der namibischen Künstlerin Tuli Mekondjo in Nauen und Windhoek gezeigt und miteinander verwoben. 2024 und Anfang 2025 hatte sie sich für eine künstlerische Intervention an die historisch belasteten Orte begeben, um damit eine symbolische Neuverbindung herzustellen. „Signale der Macht“ leistet einen Beitrag, um die Auseinandersetzung mit der kolonialen Vergangenheit Deutschlands weiter anzuschieben: die Ausbeutung, die Zwangsarbeit und ihre Folgen bedürfen einer weitergefassten Aufarbeitung.

Die Ausstellung läuft noch bis zum 1. November 2025. Aber wer sich für das Thema interessiert und es bis dahin nicht nach Potsdam schafft, findet im Akono Verlag das Workbook „From Windhoek to Kamina to Nauen“, das bereits 2023 erschienen und in gewisser Weise ein Vorläufer für „Signale der Macht“ ist. Einige der Künstler*innen, die Teil der Ausstellung sind, haben bereits in Text und Bild Reflexionen über die kolonialen Funkverbindungen zwischen Nauen, Kamina und Windhoek zu dem Workbook beigetragen. Außerdem zeichnet das Workbook sich dadurch aus, dass es die Potenziale der Weiterentwicklung der drahtlosen Vernetzung thematisiert: die weltweite Internettechnologie. 2020 – vor Elon Musks Übernahme – war insbesondere Twitter nützlich, um Menschen in Namibia für dekoloniale Proteste zu mobilisieren. Besonders im aktuellen politischen Klima gibt es Hoffnung zu sehen, auf wie vielen verschiedenen Ebenen sich Menschen für Gerechtigkeit und Aufarbeitung einsetzen.

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