
The Edge of Water
Wieso gibt es Verbindungen zwischen dem Wohlergehen der Menschen in New Orleans und Ibadan? Wie hängt der zerstörerische Hurrikan an dem einen Ort mit dem versiegenden Fluss an dem anderen zusammen? In Olufunke Grace Bankoles traurig-schönem Debütroman The Edge of Water liegt das an einer missachteten Prophezeiung – das glaubt zumindest Esther, eine der Protagonistinnen. Esther war bei einer Iyanifa – einem Sprachrohr von Orunmila, dem Orisha der Weisheit –, um sich das Schicksal ihrer Tochter Amina vorhersagen zu lassen. Esther behält das Gesagte für sich und lässt Amina trotz der Warnung ihren Traum verfolgen, in die USA auszuwandern. Damit scheint alles durcheinander zu geraten, was viel Schmerz und Verlust zur Folge hat.
Der Roman wird teilweise von der Iyanifa erzählt, besteht aber auch aus Briefen von Esther an Amina und Berichten von Amina und ihrer Tochter Laila. Diese Erzählperspektiven fügen sich zu einer mehrstimmigen und nichtlinearen Form zusammen. Teile der Geschichte lassen sich erst nach und nach einordnen, was den Spannungsbogen durchgängig aufrechterhält.
Neben der Prophezeiung und den Naturkatastrophen stehen die Mutter-Tochter-Beziehungen im Zentrum der Geschichte. Erst als Amina bereits in den USA ist, bringt Esther es über sich, ihr alles zu sagen, was sie bisher verschwiegen hat – sie lässt auch ihre schlimmsten Erfahrungen mit den patriarchalen Strukturen in Nigeria, die von Männern, aber auch ihren Komplizinnen, aufrechterhalten werden, nicht aus. Amina hingegen, deren Leben in den USA nicht ihren Erwartungen entspricht, schiebt es auf, ihrer Mutter zu antworten. Und Laila, die in den USA aufwächst, fühlt sich bis zu ihrem ersten Besuch in Nigeria, als sie bereits fast erwachsen ist, ziemlich allein und verloren. Alle drei hoffen auf Veränderungen in ihrem Leben – sie wollen etwas Besseres, suchen die Liebe und ihren Platz in dieser krisengeplagten Welt. Dieser globale, generationenübergreifende Roman ist erfüllt von komplizierten Gefühlen, Verwüstung und Hoffnung. Diejenigen, die am Ende übrig bleiben, erkennen: Für die Liebe lässt sich handeln.