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Lieben

Lieben

Lieben ist das neue Buch von Emilia Roig, Politologin und Expertin für Diversity, Intersektionalität, Inklusion und Gleichstellung. Es gehört zu der Reihe „Leben“ des Verlages Hanser Berlin in der auch die Essays Schlafen, Altern und Streiten erschienen sind. Roig ist die Autorin der Sachbücher Why We Matter: Das Ender der Unterdrückung (Aufbau Verlag, 2021) und Das Ende der Ehe: Für eine Revolution der Liebe (Ullstein Buchverlage, 2023) die ich beide mit großer Begeisterung gelesen haben. Demnach war ich sehr auf Roigs ersten essayistischen Text gespannt.

Lieben unterscheidet sich deutlich von den beiden Vorgängern. Es ist Roigs bisher persönlichstes Buch, viel gibt sie von sich preis, von ihren Erfahrungen, Verlusten und ihrer Familie. Hier seien alle Personen gewarnt: das Buch behandelt sexualisierte und emotionale Gewalt und Familiendynamiken, die durchaus triggern können.

Roig beginnt ihren Essay damit, wie sie Liebe definiert, und bewegt sich im Verlauf des Buches von kleinen in immer größere Sphären. So beginnt sie bei ihrer Familie, dehnt den Liebesbegriff dann auf Freund*innenschaften aus, bis hin zum gesellschaftlichen Zusammenleben, zur Natur und zum Kosmos.

Roig nimmt sich viel vor in diesem knapp 120 Seiten umfassenden Essay. Neben ihren persönlichen Erfahrungen, wie der tiefen Trauer nach dem Verlust eines Kindes und der Reaktion ihrer Familie auf die von ihr über Jahre erfahrene sexualisierte Gewalt, erzählt sie vom Empfinden von Pflanzen und Bäumen. Ihre Zimmerpflanzen würden beispielsweise trauern, wenn sie für eine Zeit vereist ist. In diesem Zusammenhang geht sie auf indigene Kulturen in denen Natur, Lebewesen und Menschen eine Einheit bilden, während in westlichen Gesellschaften der Mensch eine Dominanz über die Natur zugeschrieben wird. Auch sagt Roig, dass wir von der Kommunikation der Pflanzen untereinander viel für unser alltäglichen Leben adaptieren können.

Sie geht auf Tierwohl und Veganismus ein. Sie spricht über Psychedelika und wie ihr diese geholfen haben, das Gefühl der Liebe auszudehnen. Sie erzählt von Begegnungen mit Spiritualität und Astrologie in ihrer Kindheit. Auch diese Themen verbindet sie mit persönlichen Erfahrungen und zeigt dabei, wo in der westlichen Welt die Idee von Liebe durch Kolonialismus, Rassismus, dem Patriarchat und dem Kapitalismus geprägt und eingeschränkt wurde. Leider ist es genau dieser Spagat, der das Buch für meinen Geschmack immer etwas zu sehr an der Oberfläche bleiben lässt. Beim Lesen habe ich mir hin und wieder gewünscht, dass Roig sich mehr Raum für ihre klugen Gedanken genommen hätte, um diese detailreicher auszuführen.

Wer schon einiges zu intersektionellen Perspektiven zum Thema Liebe gelesen hat, wird hier nicht unbedingt viel Neues finden. Als Einstieg in die Thematik, eignet sich der Essay jedoch sehr gut und vermutlich ist das genau das Ziel der Reihe „Leben“. Er bietet viele Anreize sich anschließend tiefer und gezielt mit bestimmten Teilaspekten auseinanderzusetzen. Und eines wird ganz sicher deutlich: Roig kämpft erbittert für die Gerechtigkeit. Liebe und Gerechtigkeit sind für sie zwei untrennbare Begriffe.

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