
How we are translated
Eine unerwartete Schwangerschaft erschüttert die Beziehung von Kristin und Ciaran. Sie ist eine 24-jährige Schwedin, die als Erwachsene nach Schottland gezogen ist. Er wurde in Brasilien geboren, aber als Baby von einer Schottin adoptiert. Sie leben in einer winzigen Wohnung in Edinburgh und müssen sich entscheiden, wie es weitergehen soll. Kristins Strategie besteht darin, sich auf ihre Arbeit im Nationalen Einwanderungsmuseum zu konzentrieren und nicht über die Schwangerschaft – die sie nur als „Projekt“ bezeichnet – zu sprechen, während Ciaran beschließt, sich bei einem einwöchigen „Sprachbad“ ins Schwedische zu vertiefen, um es für sie und das ungeborene Baby zu lernen, obwohl sie noch nicht wissen, ob sie es bekommen werden.
Jessica Gaitán Johannesson, die mit Schwedisch und Spanisch aufgewachsen ist und jetzt im Alltag hauptsächlich Englisch verwendet, nutzt diese Geschichte in ihrem Roman How we are translated, um auf eine Art und Weise über Sprache, Mehrsprachigkeit und Kultur nachzudenken, die mir sehr gut gefallen hat: ein bisschen chaotisch, aber nuanciert und erinnerungswürdig. Wir lesen Kristins Perspektive und sie fragt schon relativ am Anfang: „Wie lange können Menschen eigentlich zusammenleben, also ZUSAMMENleben, ohne dieselbe Sprache zu sprechen?“ Für Ciaran ist das brasilianische Portugiesisch nur noch eine vage Erinnerung, Englisch ist seine erste und vertrauteste Sprache. Kristin hingegen findet sich immer noch im Englischen zurecht und bemerkt, dass es Dinge gibt, die sie bei diesem Sprachwechsel (noch) nicht sagen kann – nicht nur, weil sie bestimmte Wörter noch nicht kennt, sondern eher, weil sie das Gefühl hat, nicht zu können. In ihrem Fall betrifft das umgangssprachliche Ausdrücke oder Schimpfwörter, die sie stattdessen durch „fick“ und „sheet“ ersetzt. Als Paar haben Ciaran und Kristin viele liebenswerte sprachliche Eigenheiten und Spitznamen für sich entwickelt, aber Kristins aktives Nachdenken über ihren spezifischen Sprachgebrauch deutet darauf hin, dass Eigenheiten unangenehm sein können und stärker (oder negativer) auffallen, wenn Menschen sie in ihrer Zweitsprache verwenden. Immer wieder vergleicht sie Schwedisch und Englisch und beginnt, wörtliche Übersetzungen zu sammeln. Auf diese Weise erhält sie ein tieferes Verständnis ihrer Erstsprache und der kulturellen Konnotationen bestimmter Begriffe. Als Ciaran dann anfängt, Schwedisch zu lernen, freut sie sich nicht etwa, nun mehr mit ihm zu teilen, da er einen ähnlichen Prozess beginnt, sondern ärgert sich hauptsächlich darüber, dass er nicht zu seinen egoistischen Beweggründen steht – „niemand lernt eine Sprache, nur um nett zu sein“.
In der einen Woche ihres Lebens, die der Roman abdeckt, sind Ciaran und Kristin mit sich selbst beschäftigt. Sie wissen beide, dass die Schwangerschaft, egal wie sie mit ihr umgehen werden, ihre Beziehung verändern wird. Kristin geht Ciaran aus dem Weg, indem sie länger bei der Arbeit bleibt. Sie hat ihren seltsamen Job in der Burg, die offiziell das Nationale Einwanderungsmuseum ist, gefunden, als sie irgendwie ihr Studium finanzieren musst. Aber jetzt, zwei Jahre nach ihrem Abschluss, arbeitet sie immer noch dort. In der Burg führen Kristin und andere Eingewanderte den Besucher*innen in verschiedenen Ausstellungen ihre „ursprüngliche“ Kultur vor – Kristin spielt eine Winkingerfrau. Um in ihre Muttersprache und Ursprungskultur zu wechseln, verbringen alle Mitarbeitenden vor ihrer Schicht Zeit in einem „Übersetzungsraum“. Wenn sie aus dem Raum herauskommen, müssen sie für die neugierigen Besucher*innen in ihrer angeblich „authentischen“ Rolle bleiben. Das Museum erinnert auf seltsame Weise an die Völkerschauen der Kolonialzeit. Leser*innen werden durch den Roman eingeladen, darüber nachzudenken, was eine Kultur im Kern ausmacht und wie sie von anderen betrachtet wird.
Ich habe Jessica Gaitán Johanessons Debütroman sehr gerne gelesen, da er zum Nachdenken über Sprache und Kultur anregt und die Figuren genauso eigen wie liebenswürdig sind.
(Der Roman wurde noch nicht ins Deutsche übersetzt)
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