Bruce Pascoe und Dark Emu: Ein Green Library Gespräch (Teil 2)
Im Februar 2021 veröffentlichte Bruce Pascoe sein neues Buch, Loving Country: A Guide to Sacred Australia, das er gemeinsam mit Vicky Shukuroglou geschrieben hat. Im Rahmen unserer Green Library Reihe hatten wir das Glück, uns mit dem gefeierten Autor von Dark Emu: Aboriginal Australia and the Birth of Agriculture über dieses einige Jahre früher erschienene Buch und seine Arbeit auf einer Farm in Victoria zu sprechen. Die Farm strebt danach, landwirtschaftliche Methoden der Indigenen Australiens aufrecht zu erhalten. Dies ist der zweite Teil des Interviews, den ersten gibt es hier.
Lucy Gasser von poco.lit. (LG): Was mich besonders für Dark Emu eingenommen hat, war das Register: Das Buch umfasst ein atemberaubendes Spektrum an Forschungsergebnissen aus verschiedenen Disziplinen, aber es klingt nicht überladen oder akademisch. Wie würdest du dich selbst und deine Arbeit beschreiben: Als Schriftsteller? Oder auch als Forscher, Wissenschaftler, Geschichtenerzähler, Aktivist, praktizierender Landwirt? Was ist die treibende Kraft hinter deinen verschiedenen Tätigkeiten? Oder würdest du das, was du tust, ganz anders einordnen?
Bruce Pascoe (BP): Ich hatte ein großes Verlangen nach Gerechtigkeit, was wiederum von meiner Mutter und meinem Vater kam, die die gerechtesten Menschen sind, die ich je getroffen habe. Das wurde zum Maßstab für mich. Aber ich bin auch Schriftsteller, ich schreibe Belletristik, ich schreibe so gut ich kann. Ich liebe Worte. Wenn du nicht in der Lage bist, eine Geschichte über wichtige Dinge zu erzählen, ohne Fachjargon zu verwenden, kannst du dich meiner Meinung nach nicht als Schriftsteller bezeichnen. Du brauchst eine künstlerische Neigung. Genau wie im Leben von Aborigenes, in dem Geschichten mit so fesselnden Details und einer so schönen Sprache erzählt werden, gibt es keine Entschuldigung für schlechte Prosa. Aber die Universitäten sind tief mit einer Jargon lastigen Sprache verbunden.
LG: In Dark Emu beschreibst du einen Aquakulturkomplex am Darling River in Brewarrina, der möglicherweise zu den ältesten von Menschenhand errichteten Bauwerken der Welt gehört. Könnest du uns mehr darüber erzählen? Gibt es heute noch Gemeinschaften, die diese Konstruktionen nutzen?
BP: Die Tatsache, dass wir nicht mit Sicherheit sagen können, ob es sich dabei um das älteste menschliche Bauwerk auf Erden handelt, liegt daran, dass die Regierung die Mittel für eine entsprechende Studie zurückgezogen hat. Wenn man das beweisen könnte – und es wird irgendwann bewiesen werden – könnte man als Unternehmen zehn Jumbo-Jets kaufen, sie mit Amerikaner:innen und Chines:innen füllen und sie jeden Tag in der Woche nach Australien bringen, nur um das älteste menschliche Bauwerk der Welt zu betrachten. Aber die Macht der Religion und des Kolonialismus ist so groß, dass ein wirtschaftlicher Nutzen abgelehnt wird. Die Finanzierung wurde zurückgezogen, als es offensichtlich war, dass es sich um ein sehr wichtiges Bauwerk für die ganze Welt handelt – ob es nun das älteste ist oder nicht, es ist ein sehr wichtiges Bauwerk. Aber aufgrund des Kolonialismus könnten Australier:innen auch nicht mit zehn Pferden zu diesem Bauwerk gezogen werden, so sehr wird sich gegen die Idee von Indigener Exzellenz gewehrt. Der Kolonialismus ist ein mächtiges Werkzeug, und Religion ist sogar noch mächtiger.
LG: Werden alte Praktiken von Indigenen Australier:innen heute noch weitergeführt?
BP: Wir versuchen, sie kulturell wiederherzustellen. Erst vor drei Wochen waren wir am Wallaga-See und sahen uns ein absolut geniales Bauwerk an – ein Bauwerk für Menschen ohne Stahlmaschinerie, um Steine zu bewegen, die das Zehnfache des Gewichts haben, das ein Mensch ohne Vorrichtung heben könnte – eine Vorrichtung wurde geschaffen, um diese Steine zu bewegen und ein Wehr im Wasser zu errichten. Der Hauptvorteil bestand darin, die Kraft des Meeres zu nutzen, so dass auf diese Weise Fische gefangen werden konnte. Wir versuchen, diese Vorrichtung wiederherzustellen, damit wir die Steine, die mit Bulldozern aus dem Weg geräumt wurden, wieder an ihren Platz setzen können. Und wir wollen, dass junge Yuin-Männer und -Frauen dieses Wehr benutzen können. Solche Dinge passieren jetzt überall im Land. Die Aborigines fordern ihr Recht auf die Ausübung ihrer Tätigkeiten zurück. Unser Ziel ist es, dass wir die Fischreuse wieder in Betrieb nehmen können und dass die Aborigines auf diese Weise Fische fangen und verkaufen können. Gleichzeitig wollen wir Australien und der Welt die Geschichte der Fischreuse erzählen. Und wieder einmal wird die Welt dieses Angebot wahrscheinlich viel schneller annehmen als die Australier:innen.
LG: Könntest du uns etwas mehr über den ersten Verlag von Dark Emu, Magabala Books, erzählen?
BP: Magabala Books ist ein Verlag von und für Aborigines in Broome, Westaustralien. Wenn du im Internet danach suchst, wirst du feststellen, dass es in einem ungünstigen Teil Australiens liegt, sehr abgelegen. Aber es ist eine schöne Stadt mit wunderbaren Menschen. Es ist ein Unternehmen, das den Aborigines gehört. Zwei der größten Verlagshäuser der Welt haben Dark Emu abgelehnt, bevor Magabala es aufnahm. Darauf bin ich sehr stolz. Magabala hat es sehr schnell aufgegriffen. Das Buch war überaus erfolgreich, und Magabala hatte, nachdem sie sich um meine ersten fünf oder sechs Romane gekümmert und kein Geld damit verdient hatten, plötzlich einen Erfolg. Das war sehr gut für uns. Ich habe jetzt kein schlechtes Gewissen mehr, weil Magabala sich in den ersten Tagen um mich gekümmert hat, und nun sind sie in der Lage, ihre Tätigkeit zu erweitern. Aber was Australien wissen muss – was die Welt wissen muss – ist, dass dies ein Verlag von Aborigines ist. Sie haben einige unglaubliche Bücher herausgebracht und bewahren die Kultur, fördern die Kultur, bringen neue Autor:innen und Künstler:innen hervor. Und, wie bei Young Dark Emu, bringen sie auch Designer:innen hervor.
LG: Hast du oder hat dein Verlag mit dem enormen Erfolg des Buches gerechnet, oder war er eine Überraschung?
BP: Nun, ich habe schon mit Erfolg gerechnet und dem Verlag das gesagt. Als Dark Emu zum ersten Mal herauskam, habe ich gesagt: Ihr müsst 10 000 Stück davon drucken. Aber sie wollten sich auf 1 500 beschränken, denn sie sind vorsichtig und haben kein Geld. Aber ich wusste, dass es ein Erfolg werden würde, weil ich die Reaktion der Australier:innen kannte. Es mag sich so anhören, als sei ich hart zu Australien, aber Australien hat seine Meinung geändert. Es gibt Tausende von Australier:innen, die die Vergangenheit erforschen wollen, die es satt haben, was ihnen als Geschichte des Landes vorgaukelt wird.
Viele Australier:innen suchen aktuell nach der Wahrheit und das ist es, was Dark Emu antreibt: Es wird von der Neugier der Australier:innen angetrieben. Wenn wir jemals etwas im Bildungsbereich erreichen wollen, müssen wir die Neugier retten.
LG: Eines der Hauptargumente in Dark Emu ist meines Erachtens, dass ein besseres Geschichtsverständnis dazu beitragen könnte, eine gerechtere Gegenwart und eine nachhaltigere Zukunft zu schaffen. Wie würden Sie, bezogen auf das, was Sie in Ihrem Buch tun, konkret vorgehen, um eine gerechtere Gegenwart zu schaffen? Und wie könnte eine nachhaltigere Zukunft aussehen?
BP: Nun, ich denke: Wir sollten Neugierde fördern. Damit Leute nicht mehr an Unglaubwürdiges glauben. Auf meiner Farm bauen wir die alten Getreidesorten an, die die „Entdecker“ bei den Aborigines gesehen haben. Wir bauen die alten Knollen an. Sobald wir das Gespräch beendet haben, muss ich losgehen und Saatgut ernten, denn dieses Saatgut ist Gold für uns. Wir züchten Pflanzen aus diesem Saatgut, um den Australier:innen zu zeigen, dass wir unser Gemüse auf viel nachhaltigere Weise anbauen können.
Wir haben einen Bildungsauftrag. Wir sind nicht hier, um aus der Bibel oder aus einem Lehrbuch vorzulesen. Wir sind hier, um über Ideen zu sprechen, um Neugierde zu wecken, damit wir eine bessere Welt haben können, eine gerechtere Welt – darum geht es uns. Die Tatsache, dass wir dieses Getreide anbauen, dient der Schaffung einer besseren Welt, einer nachhaltigeren Umwelt und Landwirtschaft. Aber in Wirklichkeit geht es um Menschen und Gerechtigkeit, damit die Aborigines wieder Teil der Gesellschaft dieses Landes werden können, sowohl wirtschaftlich als auch spirituell.
Ich denke – ohne angeben zu wollen, dass es in diesem Land Stätten gibt, von denen die Leute innerhalb der nächsten zwölf Monate hören werden. Sie werden erfahren, dass das älteste Dorf der Welt in Australien liegt, was bedeutet, dass die Australier:innen die Gesellschaft erfunden haben, zusammen mit der Architektur, dem Kanu und der Kunst. Es bedeutet auch, dass es für Menschen möglich ist, eine Gesellschaft zu entwickeln, in der sie nicht in den Krieg ziehen. Wenn wir zeigen können, dass es in diesem Land eine andere Philosophie gab, die darauf bestand, dass Menschen nicht für Land in den Krieg ziehen, dann ändert das alles. Es macht das Land nachhaltiger, es bringt unsere Bevölkerung unter Kontrolle, weil wir nicht einfach weiter Land stehlen. Mehr Menschen werden Landwirtschaft betreiben können, denn wenn wir für einen Teil des Landes verantwortlich sind, sind wir auch für die Menschen darauf verantwortlich.
Die Green Library Reihe wurde vom Berliner Senat gefördert. Bei Veranstaltungen, in Podcasts und in Schriftform tauschte poco.lit. sich mit Autor:innen aus, die über Natur und Umwelt schreiben und gleichzeitig über koloniale Kontexte und Machtstrukturen reflektieren.