
My Pisces Heart
Jennifer Neal ist in ihrem Leben viel umgezogen und in ihrem Memoir My Pisces Heart berichtet sie, was sie als Schwarze queere Frau auf vier verschiedenen Kontinenten erlebt hat. Sie rahmt ihre Erfahrungen mit dem Begriff „Blaxit“ (Black exit) und der Frage, was passieren würde, wenn Schwarze Menschen rassistische Gesellschaften hinter sich lassen und woandershin gehen würden. Diese Frage, so betont sie, ist nicht neu, bereits zahlreiche historische Figuren wie Frederick Douglass oder Audre Lorde machten sich in ähnlicher Weise auf die Suche. Reiseberichte oder Texte über Immigration von BIPOC zeigen, dass Unterdrückung ein globales Phänomen ist und Begegnungen in anderen Ländern die eigene Perspektive auf die eigenen Kämpfe und ihre Verknüpfungen erweitern können. Neal baut in einzigartiger und nuancierter Weise darauf auf und zeigt, wie sehr es bei ihrem mobilen Lebensstil um Überleben und Sicherheit geht.
In My Pisces Heart verbindet Neal persönliche Anekdoten über Alltagsherausforderungen und -freuden in den USA, Japan, Australien und Deutschland mit ausführlich recherchierten Kapiteln über die Schwarze Geschichte, den Rassismus und den Widerstand an diesen Orten und streut zudem ein bisschen Astrologie ein. Da ich mit dem japanischen Kontext weniger vertraut bin, habe ich in diesen Kapiteln am meisten lernen können. Neal unterrichtete ein Jahr lang Englisch in Kudamatsu, wo sie hautaufhellende Cremes geschenkt bekam und ihr (fälschlicherweise) Ähnlichkeiten mit der einzigen anderen Schwarzen Person zugeschrieben wurden, die ihre Schüler*innen zu kennen schienen: Beyoncé. Dabei lebte bereits im 15. Jahrhundert ein Schwarzer Samurai in Japan und Neal verfolgt Yasukes Geschichte zurück. Außerdem wirft sie einen kritischen Blick auf W.E.B. Du Bois’ Werk, seine Argumentation für das Talented Tenth (was auch die Figuren in Honorée Fanonne Jeffers’ Roman Die Liebeslieder von W.E.B. Du Bois intensiv diskutieren) und seine problematische Haltung gegenüber Japans Kolonialbestrebungen. In Bezug auf die USA beschäftigt sich Neal mit der Great Migration, ihren eigenen Vorfahren und ihrem internationalen Dinner Club in Chicago. In Australien betrachtet sie die Unterdrückungs- und Widerstandsgeschichte der Aboriginal und Torres Strait Islanders, besucht die Aboriginal Tent Embassy in Canberra und thematisiert den Rassismus, den sie in Liebes- oder Freundesbeziehungen in Melbourne erlebt. Berlin ist der Ort, an dem Neal aktuell wohnt, wo sie versucht, dem Rat ihres Opas zu folgen: glücklich zu sein. In Berlin begegnet sie Neo-Nazis, lernt aber auch die beeindruckende Geschichte der Schwarzen feministischen Bewegung kennen.
My Pisces Heart bietet eine absolut lesenswerte Perspektive auf das Reisen um die Welt. Beim Lesen musste ich hin und wieder an Johny Pitts Buch Afropäisch denken, obwohl es um eine Backpacking-Reise durch Europa geht und nicht darum, sich anderswo ein Leben aufzubauen. Während Pitts das Schwarze Europa sucht, nähert sich Neal verschiedenen Aspekten Schwarzer Geschichte weltweit. Aber beide stehen für eine wachsende Anzahl an Büchern, die das Recht Schwarzer Menschen auf derartige Selbstfindungsexpeditionen, wie Neal es nennt, hervorheben.
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