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Süsswasser

Süsswasser

Süsswasser wurde 2018 veröffentlicht und ist Akwaeke Emezis Debutroman. Seitdem sammelt Emezi Preise. Emezis erster Roman für junge Erwachsene trägt den Titel PET und erregte 2019 viel Aufsehen. The Death of Vivek Oji wurde schon vor der Veröffentlichung in den Medien als eines der am meisten erwarteten Bücher des Jahres 2020 bezeichnet. Allem Anschein nach lohnt es sich Emezis Arbeit im Auge zu behalten. Süsswasser ist angelehnt an Emezis Biographie. Emezi wurde wie die (oder eine der) Protagonist*innen in Umuahia geboren und wuchs in Aba in Nigeria auf. Emezi ist ein*e Igbo- und tamilische*r Schriftsteller*in und Videokünstler*in.

Was Süsswasser außergewöhnlich und als literarische Intervention so wertvoll macht, ist die Art und Weise, wie es die westlichen Erkenntnistheorien zur psychischen Gesundheit auf den Kopf stellt. Ada kommt in die menschliche Welt als Brücke zwischen dem Diesseits und dem Jenseits. Ada ist halb-göttlicher Abstammung, Tochter der Python-Göttin Ala, und besteht nicht aus einem einzigen Selbst, sondern aus mehreren Brüderschwestern, für die ein Pronomen im Singular unhaltbar ist.

Ada wird als Tochter der menschlichen Eltern Saatchi und Saul geboren und wird wegen der unglücklich verlaufenden Ehe schon früh von der Mutter verlassen. Als junge Frau geht Ada in die USA zum Studieren – wo Ada von einem Kommilitonen vergewaltigt wird. Das daraus resultierende Trauma führt dazu, dass sich eines von Adas anderen Ichs stärker durchsetzt – dieses Ich spaltet sich deutlicher von Ada und den anderen Brüderschwestern ab und hat einen eigenen Namen: Asụghara. Asụghara ist stark und erbarmungslos. Asugharas einziges Interesse ist es, Partner zu finden, um ihren Appetit auf Sex und Grausamkeit zu stillen, und Ada davor zu bewahren, das Trauma noch einmal erleben zu müssen, aus dem sich Asụghara überhaupt erst herausgebildet hat. Möglicherweise als Gegenstimme taucht gleichzeitig ein Bruder auf: der sanftere Heilige Vincent, eine weitere Verkörperung von Adas queeren Facetten.

Der Roman ist aus den Perspektiven von Ada, Asụghara, und dem Wir der Brüderschwestern geschrieben. Diese Brüderschwestern sehnen sich danach, dorthin zurückzukehren, wo sie wirklich hingehören und wo sie nicht der Fragilität und der fleischgewordenen Geringschätzung eines körperlichen Lebens verpflichtet sind. Es wird deutlich, dass das, wonach sie sich sehnen, der Selbstmord von Ada ist – nicht, um sie und sich selbst zu beenden, sondern um gemeinsam in das Reich zurückzukehren, das eigentlich das ihre ist und wo sie das sinnlose Leiden eines Menschenlebens nicht ertragen müssen.

Damit bietet der Roman einen anschaulichen alternativen Rahmen für das, was in der westlichen Medizin als multiple Persönlichkeitsstörung und Suizidgefährdung diagnostiziert werden würde. Es handelt sich um einen wirklich bestechenden Denkansatz, um über psychische Krankheiten nachzudenken. Darüber hinaus scheint mir der Roman sein einzigartiges Potenzial in der Verwendung des Pluralpronomens, in dem Ada untergebracht ist, zu zeigen, mit dem er auf das queere der Stimmen verweist. Diese Aspekte lassen vermuten, welch fruchtbares Terrain Emezi mit dem Buch erschließt. Die Verwendung des Pronomen Wir erinnert mich an die Mücken in Namwali Serpells The Old Drift, die ebenfalls im Plural erzählen. In beiden Romanen wird das Potenzial innerer Zersplitterung der dennoch irgendwie vollständigen Wir-Perspektive angedeutet.

Gleichzeitig scheint mir jedoch, als sei der größte Teil von Süsswasser der Erzählung von Ada-als-Asughara gewidmet, in der es um endlose romantische und sexuelle Begegnungen geht. Irgendwann wirkte das auf mich etwas adoleszent. Die Litanei der Liebenden und die Sexszenen empfand ich als unendlich viel weniger interessant als das, wozu der Roman tatsächlich fähig gewesen wäre. Ich bemühte mich den Roman so sehr zu genießen, wie ich es mir auf Grund der bestechenden Voraussetzungen versprach. 

Übersetzt von Senthuran Varatharajah und Anabelle Assaf.

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