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Die Mütter

Brit Bennetts Debut Roman wird zu recht in weiten Teilen der Welt gefeiert. Die Mütter sind eine Gruppe von älteren Frauen in einer christlichen Gemeinde im kalifornischen Oceanside. Diese Mütter beobachten und kommentieren die jüngere Generation der Gemeinde, vor allem die drei Protagonist*innen Nadia, Luke und Aubrey, um die sich dem christlichen Verständnis nach ein Skandal rankt.

Als Nadia 17 Jahre alt ist, begeht ihre Mutter Selbstmord. Ihr Vater verbringt aus lauter Trauer immer mehr Zeit in der Kirchengemeinde, wohingegen Nadia sich weiter von dieser Gemeinde und auch ihren Schulfreund*innen entfernt. Sie sucht in verquerer Weise Trost durch das Gefühl von körperlichem Schmerz, Schmerz, den sie sich durch Sex holen möchte. Sie fängt eine Affäre mit dem Anfang 20-jährigen Luke Sheppard an, dem Sohn des Pastors. Luke, der als Leistungssportler wegen einer Verletzung scheiterte, arbeitet in einem billigen Sea Food Restaurant, in dem Nadia immer wieder einfach auftaucht. Er lässt sich auf sie ein, will ihre Affäre aber geheim halten. Als Nadia ihm sagt, dass sie schwanger ist und abtreiben will, besorgt er ihr das nötige Geld und lässt sie im Stich. Auch die Abtreibung muss verheimlicht werden. Nadia erzählt es niemandem, noch nicht mal ihrem Vater und geht davon aus, dass Luke es genauso handhabt. Sie ist verletzt davon, dass Luke sich von ihr entfernt, aber sie schließt unerwartet eine enge Freundschaft mit Aubrey, der Außenseiterin ihrer Klasse, streng gläubig und unsicher. Sobald sie kann, zieht Nadia weg aus Oceanside, um zu studieren. Zu ihrer Überraschung kommen Luke und Aubrey zusammen und heiraten sogar. Bei einem Besuch in Oceanside, Jahre später, platzt Lukes und ihr gut gehegtes Geheimnis. Es ist gefundenes Fressen für die klatschsüchtigen Mütter der Gemeinde, die heimlich die Enttäuschungen und gegenseitigen Vorwürfe aller Beteiligten genießen und sich selbst überlegen fühlen können.

Die drei Protagonist*innen sind nicht nur durch ihre Beziehungen verbunden, sondern auch dadurch, dass sie alle eine komplizierte Verbindung zu ihren Müttern haben. Nadias Mutter ist sehr früh, ungeplant Mutter geworden und hat Nadia vermittelt, dass sie sich damit ihr Leben verbaut hat (weshalb Nadia später so sicher ist, dass sie abtreiben muss). Aubreys Mutter hat ignoriert, dass ihr Partner Aubrey regelmäßig sexuell missbraucht. Luke untersteht den Zwängen und Erwartungen der Vorzeige Pastorensohn zu sein. Keines der Mutterbilder entspricht der Ikonenhaften nährenden Beschützerin. Genauso wenig erscheint die Kirchengemeinde als ehrlicher, frommer Schutzraum. Brit Bennett stellt mit ihrem Roman letztendlich Erwartungen an gesellschaftliche Rollen und Institutionen in Frage. Freundschaft, Familie und Gemeinschaft unterliegen vielen Zwängen, Bennett kritisiert in den Beziehungsgeflechten ihres absolut lesenswerten Buches besonders die Maßregelung weiblicher Körper und Rollen.

Aus dem Englischen von Robin Detje

(Englishes Original: Riverhead Books 2016)

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