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Ein gewöhnlicher Tag im Museum

Ein gewöhnlicher Tag im Museum

An einem gewöhnlichen, warmen Sommertag in Berlin fuhr ich mit meinen Kindern nach Dahlem, um die Eröffnung der neuen Ausstellung über die Sámen im Museum Europäischer Kulturen (MEK) zu feiern. Ein Projekt, das als Kooperation mit mehreren sámischen Institutionen und traditionellen Kunsthandwerker:innen, den Duojár, entstand.

Es war warm. Ich schwitzte und mein traditionelles Schultertuch begann zu kratzen, während in einer Rede nach der anderen die exzellente Kooperation gelobt und immerzu den gleichen Personen gedankt wurde. Die anderen Sámi schwitzen ebenfalls in ihren traditionellen Gewändern, während sie darauf warteten, dass sie an die Reihe kamen, um den Raum mit dem Joik zu ehren, dem traditionellen sámischen Gesang. Stattdessen Rede um Rede darüber, wie wunderbar diese Kooperation und wie großartig die Beteiligten doch waren. Wie großartig das Projekt des MEK war.

Es wurde unangenehm warm. Die Kinder fragten mich immer wieder, wann die Sámi auf die Bühne treten und ihren Joik anstimmen würden. Ich hatte das Gefühl, die Menschen auf dem Podium wollten mich davon überzeugen, wie einwandfrei das Projekt war, immer und immer wieder. Mir nahelegen, wie wichtig es für die sámische Kultur war. Das Versprechen betonen, dass über 1000 Objekte zurückgegeben würden. Am Ende des Projektes. In der nächsten Rede ging es dann darum, dass das Projekt jetzt verlängert wurde.

Es wurde unerträglich warm. Und die Selbstzufriedenheit der Beteiligten langweilte nicht nur meine Kinder. Meine Kinder wollten nur noch raus, und mir ging es ehrlich gesagt nicht anders. Ich freute mich darauf, die Ausstellung zu besuchen, aber das würde nicht heute am Eröffnungstag passieren, so viel war klar. Voller Vorfreude besuchten wir sie einige Tage später, mein Partner, unsere zwei Kinder und ich.

Bevor ich euch auf die seltsame Reise mitnehme, die wir antraten, muss ich meine Geschichte mit euch teilen. Ich wurde an einem Fels in Sápmi geboren, einem Land, auf dem die Sámen lebten, seit das geschmolzene Eis das Land enthüllt hatte. Ein naturverbundenes Volk, das von der Landschaft lebte, bemüht, nicht zu viele Spuren zu hinterlassen. Voller Achtung vor denen, die vor uns waren, und Liebe für diejenigen, die nach uns kommen würden. Später wurde das Land, auf dem wir Sámen lebten, unter den Königen von Norwegen, Schweden, Finnland und Russland aufgeteilt. Ich wuchs in der Tradition eines Seestammes mit ein paar wenigen Tieren auf. Wir lebten von dem, was der Fjord und die Erde uns boten. Wir waren eine Gemeinschaft arm an Geld aber reich an Menschlichkeit. Hier half und unterstützte man sich gegenseitig bei der Ernte, der Kindererziehung, und den alltäglichen Herausforderungen. Trotz der umfassenden Assimilation, der wir unterzogen wurden, behielten wir diese Lebensweise bei. Unterdrückt durch den norwegischen Staat, die Mehrheitsgesellschaft und den christlichen Laestadianismus. Unsere Sprache war in der Schule nicht erlaubt, unser Joik verboten. Es war beschämend, zu sein, was ich war: eine Sámin. Es war eine Kultur der Vergangenheit, keine für die Zukunft. Ich verbrachte einen Großteil meines Lebens damit, aus dieser Scham auszubrechen, um mir meine Kultur zurückzuholen, um mein Gákti tragen und wieder den Joik singen zu können. Bis heute kämpfen wir um die Anerkennung unserer Menschenrechte.

Im August 2024 in der Ausstellung im MEK rasten mir all diese Gedanken durch den Kopf, bevor wir den engen Raum betraten, der mit Artefakten der Sámen gefüllt war. Tief im Inneren spürte ich ein leichtes Beben. Mir sprang etwas ins innere Auge und zog mich auf unerklärliche Weise an. Ich ging zu dem wunderschönen handgefertigten Schlitten und begann zu lesen. Augenblicklich fuhr mir der Schreck in die Knochen, als ich verstand, dass es der Familie eines geliebten Menschen gehört hatte. Eines Ältesten, der mich sehr viel gelehrt hatte über unsere Lebensweise, unsere Traditionen, und vor allem über die Tradition des Joik, die so vielen an meinem Heimatort abhandengekommen ist. Ich bin unfähig, in Worte fassen, wie ich mich fühlte, als ich dastand und den Text las, der erklärte, dass man nicht genau wisse, wie das Objekt erworben worden war. Ein einzelner, nüchterner Satz darüber, dass es dem Museum „geschenkt“ worden war. Ein weiterer, der erklärte, dass die Familie als Rentierhirten vertrieben worden war. Nichts im Text ließ die deutschen Besucher:innen erahnen, was für ein Trauma eine solche Erfahrung für eine ganze Familie bedeutete. Wie Familien gespalten worden waren, wie sie die Verbindung zu dem Land verloren hatten, das ihnen so lange Leben geschenkt hatte. Wie eng der Joik mit diesen Ländern verknüpft war. Wie die kommenden Generationen diese Länder nie würden kennenlernen dürfen. Und wie der mit diesen Ländern verbundene Joik immer mehr in Vergessenheit geraten würde. Ein Prozess, der die Familie von dem Land abgeschnitten hatte, durch das sie als Nomad:innen gezogen waren, so weit die Geschichten zurückreichten, die sie sich erzählten. Und hier war der Schlitten ausgestellt, nichts verratend über die ungeheure Katastrophe, die die Familie erfahren hatte.

Benebelt stolperte ich weiter durch die Ausstellung, unfähig zur Aufnahme. Ein paar wunderschöne Nachbildungen von traditionellen Gewändern. Viele handgefertigte Werkzeuge mit den aufwendigsten Verzierungen. Dann die Trommeln. Bei ihnen angekommen, fing ich mit einem Mal an zu weinen. Sie durften hier nicht stehen. Prächtige, kraftvolle Trommeln, die sich in Sápmi befinden sollten, nicht auf einem Regal in einem deutschen Museum.

Ganz zu schweigen von den Opfergaben, die von heiligen Orten gestohlen worden waren.

Mein Sohn, mein sechsjähriger Sohn, kam zu mir. Er nahm meine Hand und sagte: „Mama, ich kann hier nicht atmen. Können wir bitte gehen? Ich mag das nicht.“

Wir verließen den Raum. Wir verließen das Museum.

Ich komme nicht umhin, zu fragen: Sind die Tage des Museums, wie wir es kennen, nicht vorbei? Ist es nicht an der Zeit, die Kulturen der Welt mit einem tieferen Respekt vor den Geschichten derjenigen zu erzählen, die kolonisiert wurden? Sollten wir nicht anfangen, auch die Geschichten darüber zu teilen, wie Indigene Völker es vermochten, zu dekolonisieren und zu indigenisieren? Unsere Kultur überlebte trotz jahrhundertelanger Christianisierung, Kolonisierung und Assimilierung. Das verdient Respekt.

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