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Babel

Babel

Im Alten Testament wird vom Turmbau zu Babel erzählt: in Reaktion auf die Hybris des Menschen zerstreut Gott die Menschen über die Welt und verwirrt ihre Sprachen. Die Verständnisbarriere wird somit zur Strafe der Hybris des Menschen. R. F. Kuang’s Babel spielt in einer ähnlichen Zeit des Übermuts: Das Oxford des Jahres 1836 steht mit seinem fiktiven Königlichen Institut für Übersetzung, umgangssprachlich ‚Babel‘ genannt, im Zentrum des Britischen Empires. Mithilfe eines fantastischen Twists unterstreicht Kuang geschickt die Macht der Unterschiede: Denn Begriffe zweier Sprachen mit ähnlichen Bedeutungen aktivieren die Silberbarren, die den Effekt dieser unübersetzbaren Konzepte erzeugen, etwa Gefühle, Geräusche, Geschwindigkeit oder sogar den Tod. 

Der Waisenjunge Robin Swift wird von Professor Lovell von Kanton, der Hauptstadt der chinesischen Provinz Guangdong, nach England gebracht und für das Studium an Babel vorbereitet. Dort lernt er, die Macht der Silberbarren zu beherrschen. Von der Medizin bis zur Dampflokomotive basiert jegliche Kraft auf ihnen – weswegen das Institut auch das Kernstück britischer Kolonialbestrebungen ist. Nicht nur freundet sich Robin Swift schnell mit anderen Studierenden sogenannter „exotischer“ Sprachen an, er versteht auch bald die Widersprüchlichkeit seiner Herkunft und seiner Aufgaben. So werden Uneindeutigkeiten zwischen Sprachen – Ideen, die nicht reisen, nicht übersetzt werden können – zunehmend zum Instrument der Revolution.

In den letzten Jahren hat R. F. Kuang etwa durch die Poppy Wars Trilogie oder Yellowface internationale Berühmtheit erlangt. Auch Babel zeigt, dass dies mit Recht geschehen ist: Sie schafft es, pointiert Missstände zu kommunizieren ohne dabei belehrend oder verkrampft zu wirken. Während Audre Lorde sagte „Die Werkzeuge der Herrschenden werden das Haus der Herrschenden niemals einreißen“, fragt Babel geschickt, „Wie können wir das Haus der Herrschenden mit eigenen Mitteln einreißen?“. Diese Frage wird passend uneindeutig beantwortet: Irgendwo zwischen Vielfalt, Erkenntnis, Gemeinschaft, Selbstermächtigung, und Skepsis liegt revolutionäres Potential. All diese Konzepte sind ebenso zeitlos wie das Konzept der Unterdrückung selbst – Ideen auf Zeitreisen, sozusagen. Deswegen bleibt Babel aktuell und relevant, auch wenn es mit seiner Klassifikation als historischer Fantasyroman zunächst überhaupt nicht danach klingt. 

Leider fällt die Erklärung der fiktionalisierten Welt und des Magiesystems ein wenig holprig aus. Ausschweifende Unterhaltungen über linguistische Prinzipien, Differenzen in Übersetzungen und die Bedeutung von Sprache ziehen den ersten Teil des Romans sehr in die Länge – versäumen aber gleichzeitig die Erläuterung der genauen Hintergründe des Silberwerks. Die zweite Hälfte des Romans ist dafür umso ereignisreicher. Die Handlung entfaltet sich geradezu explosiv. Zwar mag sie den Ablauf revolutionären Geschehens passend darstellen, sorgt jedoch insgesamt für einen etwas anstrengenden Lesefluss.

Nichtsdestotrotz ist Babel ein sehr empfehlenswerter Roman, der mit vielschichtigen Charakteren, fesselndem Plot und reichlichem Stoff zum Nachdenken besticht. Er ist sowohl geeignet für Fans des Trend-Genres Romantasy, die Lust auf etwas Düsteres und ein wenig Abstand von Liebesgeschichten haben, als auch für Belletristik-Liebhaber:innen, die den Schritt in ein neues Genre wagen wollen. Bisher lässt sich Babel nur schwer mit anderen (Fantasy-)Romanen vergleichen, denn es entlarvt die tatsächliche Welt mehr, als dass es sie zu verändert. Doch genau auf diese Art hat R. F. Kuang eine gelungene Lobrede auf die Widerspenstigkeit geschaffen – ganz nach dem Prinzip, dass das, was sich nicht gleicht, um einiges schwerer beherrschen lässt.

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