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Lüderitz

Lüderitz

Für die Arbeit „Lüderitz“ fotografierte Tim Gassauer an zwei Orten, die beide den Namen „Lüderitz“ tragen. Zuerst war da ein kleines Dorf inmitten der Altmark im Norden Sachsen-Anhalts, welches als Stammsitz der Familie von Lüderitz eben diesen Namen erhielt. 1834 später ging aus derselben Familie ein gewisser Adolf Lüderitz hervor, ein Bremer Kaufmann und Tabakhändler. Lüderitz, welcher bereits einige andere, weitestgehend erfolglose Auslandsexpeditionen hinter sich hatte, machte es sich Ende des 19. Jahrhunderts zur Aufgabe, auf dem afrikanischen Kontinent ein Gebiet zu finden, welches er dem Deutschen Reich als Kolonie andienen konnte.

Fündig wurde er an einem Küstenstreifen des heutigen Namibias, welchen er 1883 von den !Aman, einer Namagemeinschaft aus Bethanien „erwarb“. Im Kaufvertrag täuschten Adolf Lüderitz und sein Unterhändler Heinrich Vogelsang die !Aman jedoch vorsätzlich, indem sie die Breite des Küstenstreifens statt mit der (lokal üblichen) englischen Meile mit der fast fünfmal so langen geographischen Meile verzeichneten. Alle späteren Proteste der !Aman, die nach der Entdeckung des später als „Meilenschwindel“ bekannt gewordenen Betrugs folgten, blieben wirkungslos. Mit derselben Vorgehensweise „kaufte“ Lüderitz weitere Küstenstreifen weiter nördlich von anderen unabhängigen Namagruppierungen. Gleichzeitig betrieb er erfolgreiche Lobbyarbeit, um den noch zögernden Reichskanzler Bismarck dazu zu bringen, seine Erwerbungen in Südwestafrika unter „deutschen Schutz“ zu stellen und damit die erste Kolonie des Deutschen Reichs zu begründen.

Als Adolf Lüderitz 1886 auf der Suche nach Diamantenvorkommen spurlos verschwand, erhielt die dato noch unbedeutende Hafensiedlung an besagtem Küstenstreifen ihm zu Ehren den Namen „Lüderitzbucht“ (später „Lüderitz“). Die bis 1915 anhaltende Kolonialzeit war geprägt von materieller sowie menschlicher Ausbeutung, welche ihren grausamen Höhepunkt im Völkermord an den OvaHerero und Nama fand. Auf Anweisung des Oberbefehlshabers Lothar von Trotha führte das Deutsche Reich ab 1904 einen erbitterten Vernichtungskrieg gegen die widerständigen Volksgruppen und sorgte neben massiven militärischen Angriffen auch für die Errichtung von (bereits zu diesem Zeitpunkt so genannten) Konzentrationslagern.

Mit dem Beginn des ersten Weltkriegs wurde die ehemalige deutsche Kolonie von südafrikanischen Truppen besetzt und erlangte erst 1990 seine Unabhängigkeit. Auch nach dem Ende „Deutsch-Südwestafrikas“ blieben die prunkvollen, aus der Zeit des Diamantenabbaus stammenden Kolonialbauten in Lüderitz erhalten und verweisen nach wie vor auf die historische Verbindung Deutschlands und Namibias. Den daraus entstehenden Verantwortlichkeiten nach Reparationen und Erinnerungsarbeit entzog man sich auf deutscher Seite jedoch über ein Jahrhundert weitestgehend. Zu verdanken ist es in erster Linie zivilgesellschaftlichem Aktivismus und dem Engagement von Nachfahren-Verbänden, dass sich die Verhältnisse hierbei in jüngerer Zeit zu ändern scheinen.

Die beiden Orte Lüderitz fungieren in der gleichnamigen Arbeit als visueller Schauplatz von Aushandlungen der Vergangenheit. Hierbei werden ausschnitthafte, verdichtete Aufnahmen von Landschaften, Architekturen mit Portraits kombiniert. „Lüderitz“ ist somit als erinnerungspolitischer Impuls zu verstehen, einen vertieften Diskurs über die kolonialen Verhältnisse und Verbrechen sowie deren Kontinuitäten bis in die Gegenwart zu führen.

„Lüderitz“ ist im Mai 2024 im Eigenverlag als Buch mit 87 Abbildungen sowie Texten von Werner Hillebrecht und Lucia Halder erschienen. Mehr Informationen zum Buch und zur Bestellung finden sich unter www.timgassauer.com

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