Unterstütze poco.lit. über Steady.

Friday Black von Nana Kwame Adjey-Brenyah: ein ilb-Event

Letzten Freitagabend loggte ich mich ein, um die Lesung mit Nana Kwame Adjey-Brenyah des internationalen Literaturfestivals Berlin (ilb) per Livestream zu verfolgen. Adjey-Brenyahs erste Veröffentlichung in Buchlänge trägt den Titel Friday Black und erschien 2018. Erst kürzlich folgte die deutsche Übersetzung von Thomas Gunkel. Es handelt sich um einen Band Kurzgeschichten, die sich mit Fragen rund um Race und sozialer Gerechtigkeit in dystopischen Szenarien der nahen Zukunft befassen. Ich gestehe, dass ich noch keine Gelegenheit hatte, das Buch zu lesen, mich jetzt aber wirklich darauf freue.

Adjey-Brenyah schaltete sich aus New York dazu, sein Gesicht wurde auf einer großen Leinwand in den abgedunkelten Saal des Berliner Veranstaltungsortes Silent Green im Wedding übertragen, wo ein kleines Publikum bei gedämpftem Licht verstreut im Raum saß, während ich in einem anderen Teil Berlins vor meinem Bildschirm sitzend zuschaute. Adjey-Brenyahs Raum strahlte in hellem Sonnenlicht, ein Zeugnis des Zeitunterschieds, der die räumliche Distanz zwischen ihm und seinem Publikum markierte – woran auch die gelegentliche Verzögerung im Ton erinnerte. Es war seltsam und gelegentlich etwas holprig, aber es hat funktioniert.

Die Kurzgeschichtensammlung beginnt mit „Die Finkelstein Five“, in der – seien Sie gewarnt, das ist grauenhaft – eine weiße Person fünf Schwarze Kinder mit einer Kettensäge tötet. Der Titel erinnert offensichtlich an „Die Central Park Five“, wie Moderator Toby Ashraf bemerkte, die einigen Dank Ava DuVernays viel gepriesener Miniserie „When They See Us“ bekannt sein dürfte. Bei den einzelnen Diskussionspunkten stellte sich schnell heraus, dass Adjey-Brenyah sich bei der Konzeption seiner Geschichten auf die vielfältigen Fälle rassistischer Gewalt in den USA stützt. Der Autor las die ersten Seiten dieser ersten Kurzgeschichte auf Englisch laut vor, und wo er endete, las die Schauspielerin Sara-Hiruth Zoude – auf der Bühne des Berliner Veranstaltungsortes – wunderschön aus der kürzlich erschienenen deutschen Übersetzung weiter.

In der Diskussion, die sich an die Lesungen anschloss, sprach Adjey-Brenyah über seine Genrewahl, insbesondere über die Gewalt, den Horror und die dystopischen Elemente seines Schreibens, die er mit Absicht gewählt hatte. Er versucht, so sagte er, einen Weg zu finden, sein Entsetzen über die Erfahrungen von Rassismus und insbesondere der Gewalt gegen Schwarze Menschen in den Vereinigten Staaten zu vermitteln, indem er seine Leser*innen implizit dazu zwingt, sich der Frage zu stellen: Wann wird der Horror für Sie unerträglich? Er versucht, in den Zwischenräumen zu arbeiten, so dass sein Schreiben die Leser*innen dazu veranlasst, sich zu fragen, ob sie über eine imaginäre Dystopie lesen, über eine nicht so ferne Zukunft, oder ob dies nicht tatsächlich das Hier und Jetzt ist, in dem wir bereits leben.

Offensichtlich arbeitet Adjey-Brenyah in seinen Werken mit Darstellungen relativ viszeraler Gewalt. Eine der wohl interessantesten Fragen des Moderators bezog sich darauf, ob in Anbetracht derartiger Gewalt in den USA eine klare Trennlinie zwischen der Gewalt gegen Schwarze Menschen und der verbreiteten Waffengewalt gezogen werden könnte oder sollte. Die aussagekräftige Antwort des Autors: Schwarze Menschen neigen dazu, auf der Empfängerseite von all dem zu stehen. Adjey-Brenyah erklärt, dass er in seinem Texten Gewalt als Erzählmittel einsetzt, indem er sie in einen überraschenden oder ungewöhnlichen Kontext versetzt oder grotesk verstärkt, um jene Gewalt zu entnormalisieren, die zu einem so normalen Bestandteil des US-amerikanischen Alltagslebens geworden ist – insbesondere für Schwarze Menschen.

Der Autor sprach auch über andere Geschichten aus der Sammlung: zum Beispiel über die Titelgebende Geschichte „Friday Black“, einer bewussten Umkehrung des „Black Friday“, die die Schnittmenge von Gewalt und übertriebenen Konsum darlegt. Der in den USA geborene Schriftsteller ghanaischer Eltern sagte, er sei zu sehr mit seinem Geburtsland verbunden, um es aufzugeben. Daher versuche er, Geschichten als eine Form des politischen Aktivismus zu schreiben und auf diese Weise die aktuelle US-Politik zu kritisieren. Trotz des virtuellen Formats war es eine großartige Lesung und Diskussion und alles deutet darauf hin, dass „Friday Black“ ein Buch ist, das gelesen werden sollte.

Werde Steady-Mitglied von poco.lit.

So unterstützt du unsere Arbeit im Abo monatlich oder jährlich.