
Bad Cree
Es beginnt mit den Krähen. In den Träumen von ihrer toten Schwester im Wald, die Mackenzie mit existenziellen Ängsten erfüllen und schließlich ihr Leben auf Eis legen, wird sie vor allem von Krähen heimgesucht. Jessica Johns‘ erster Roman Bad Cree beginnt mit dem Krähenkopf in Mackenzies Händen, den sie aus ihrem Traum in ihre Wohnung bringt. Daraufhin tauchen immer wieder Krähen auf: vor Mackenzies Wohnung in Vancouver und vor dem Whole Foods-Supermarkt, in dem sie arbeitet. Als sie schließlich zu ihrer Nehiyawak-Familie in die Prärie in Alberta zurückkehrt, versteht sie die Krähen eher als eine Botschaft und sogar als Unterstützung. Sie begleiten sie, und Mackenzie teilt ihr Leben und ihre Geschichten wieder mit ihrer Schwester, ihrer Cousine, ihren Tanten und ihrer Mutter. Sie stellt fest, dass sie alle mit Träumen leben, die buchstäblich ein Eigenleben führen. Erschreckenderweise steckt eine böse Macht im Zentrum der Träume und hinter dem Tod ihrer Schwester.
Inzwischen erkennt Mackenzie, dass der Umgang der Kolonisatoren mit dem Land und ihren Leuten Leid zum Erbe ihrer Famile gemacht hat, das sich über Generationen von Frauen hinweg entfaltet: Ölgesellschaften, angstbesetzte Begegnungen der Frauen ihrer Familie mit weißen Männern und die Stimmen der Nehiyawak, die von der weißen Kultur, z. B. durch einem Job bei Whole Foods, in den Hintergrund gedrängt werden. Wem das bekannt vorkommt: das vampirische Wesen, das in Mackenzies Familie eingedrungen ist und sie nach Hause geschickt hat, ist ebenfalls mit der Gier des Kolonialbestrebungen verbunden. Die Kreatur aus den Träumen von Mackenzie, ihrer Schwester, ihrer Cousine, ihrer Mutter und ihrer Tanten wirkt wütend auch auf die reale Welt ein und zerstört Leben, bis der Kampf der Frauen -und der Krähen- gegen die Kreatur ein wenig Hoffnung gibt.
Die Spannung und die Schreckensbilder motivierten mich, weiterzulesen und in Mackenzies eindrückliche Welt einzutauchen, auch wenn das Erzähltempo manchmal viel langsamer ist als für dieses Genre üblich. Dass Mackenzie ziemlich viel nach Informationen über Träume und mystische Kreaturen googelt und eine Cree-Sprachapp verwendet, lässt die Erzählung manchmal etwas flach wirken. Den Roman zeichnet aus, wie die Geschichte eines Traumas erzählt wird, sprachlich oft schön werden Träume und dazugehörige Reflexionen zusammengefügt. Die meist sehr vertrauten Bilder und Figuren des Schreckens dienen weniger dazu, Lesenden Angst zu machen, sondern vor allem als Symbole für eine psychologische Reise. Schließlich ist es sehr beängstigend und schmerzhaft, wenn das Leben infolge eines Traumas zu schwer wird, wie es für Mackenzie zu Beginn des Romans in Vancouver der Fall ist. Oder wenn sich Schwestern und Cousinen wie Zombies gegeneinander richten, weil die langlebige koloniale Gier die Fäden zieht. Letztendlich bleibt in diesem Roman das Band zwischen den Geschwistern dort am See in Alberta aber stark.