Die Seite befindet im Moment im Umbau, wir bitten um Verständnis!

Latitudes of Longing

Latitudes of Longing

Alles ist im Fluss

Warum liest du? Ich lese, um zu vergessen, zu fliehen, und manchmal (eher widerwillig), um zu lernen. Unerwartet sprach Swarup, während ich las, andere Sinne an – wie ich es sonst nur von Wanderungen oder Yogastunden kenne. Plötzlich roch und sah ich mehr. Ich erlebte so vielfältige Sinneseindrücke wie in einem Mogulgarten. Die vier Geschichten, die durch ihre Figuren miteinander verbunden sind, fließen ineinander. Theatralisch treten sie auf die Bühne und gehen wieder ab, sobald sie ihre Arbeit getan haben. Sie bringen ihre Karawanen mit,  eigene Geographien und Charaktere, menschliche und nichtmenschliche Spezies, die von den Buchseiten leuchten.

Swarup ist eine exzentrische Autorin, sowohl was ihren Schreibstil als auch was ihr Leben betrifft. Als ich sie im September 2024 auf dem Macondo Literary Festival in Nairobi traf, tat ich das, was eingefleischte Leser:innen auf Literaturfestivals nun einmal tun: Ich versuchte, dem Ursprung der Magie, die Schriftsteller:innen in sich tragen, auf den Grund zu gehen. Doch wie ihr Buch kann ich auch meinen Eindruck von ihr nur schwer zusammenfassen. Unkompliziert und gleichzeitig angenehm eigentümlich, fand ich sie unglaublich charmant.

Ihr Buch Latitudes of Longing ist ein eklektischer Mix aus lyrischer Prosa und grenzenlosem Vorstellungsvermögen. Es verknüpft intime Geschichten über Verlust, Liebe und Verlangen mit der Weite des indischen Subkontinents: Islands, Faultline, Valley und Snow Desert – die Titel ihrer vier Novellen sind aufschlussreich. Ihre Figuren laden uns ein und wir haben teil an ihrem Leben. Aber Swarups eigentliche Gabe ist, dass sie ihre Leser:innen niemals vergessen lässt, dass die Erde, der Boden, die Umgebung und alles um sie herum lebendig ist und pocht. Sie ist fasziniert von Menschen, aber gleichermaßen oder sogar noch mehr – von Geistern und Geckos, Tausendfüßlern und Pilzen, Gletschern und Yetis, die alle behutsam unsere Sinne entfalten wie Blütenknospen.

Hierin liegen jedoch auch die Grenzen der Erzählung. Viele kleine und große Dinge verlangten nach meiner Aufmerksamkeit und ließen mich unschlüssig zurück, welchen Strang ich weiterverfolgen sollte. War ich vielleicht wegen meiner kurzen Aufmerksamkeitsspanne (und, geben wir es zu, wegen Instagram) unfähig, ihr reiches Universum gebührend mitzuerleben? Oder erschöpfen sich hier die Möglichkeiten ihres experimentellen Stils, auch deshalb, weil Swarup sich im Grunde gar nicht für eine Auflösung interessiert? Bedürfen neue Strukturen des Storytellings vielleicht Leser:innen mit neuen Ohren und neuen Augen?

Swarup ist mutig; ihre Texte folgen ihrem eigenen Puls. Sie erinnern an Genres wie magischer Realismus, Science-Fiction oder Nature Writing, doch keine der Kategorien trifft es ganz. Zum Glück, denn Kategorisierungen und Benennungen sind immer auch Kontrollmittel. Die Grenzen zwischen dem Materiellen und dem Metaphysischen, der menschlichen und der tierischen Welt verschwimmen in Swarups Universum, sie sind miteinander verwoben. Subtil daran erinnernd, wie es ursprünglich bestimmt war. Wir konstruierten diese künstliche Ordnung der Spezies nämlich selbst – es gibt andere Möglichkeiten, dem Rhythmus der Natur zu lauschen.

Ich lese, weil ich manchmal in Erstaunen versetzt werden möchte. Ich möchte etwas gezeigt bekommen, was ich selbst noch nicht in der Lage war, zu erkennen. In dem Buch ist nicht alles perfekt, doch Latitudes ist gespickt mit Magie. Und du, warum liest du?

Bestell das Buch und unterstütze uns damit! Hinter poco.lit. stehen wir – Anna und Lucy. Wenn du Interesse an dem Buch hast, kannst du es von hier aus bestellen. Wir bekommen dann eine Provision, aber für dich ändert sich der Preis nicht.

Werde Steady-Mitglied von poco.lit.

So unterstützt du unsere Arbeit im Abo monatlich oder jährlich.