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Moffie: Ein grüblerischer Film über die Gewalt von Männlichkeit, Homophobie und Race im Südafrika der Apartheid

Von dem Moment an, als der schnurrbärtige Sergeant Brand (Hilton Pelser) den Rekruten Nicholas (Kai Luke Brummer) mit seinen schlaff runterhängenden Haaren über den Bahnsteig hinweg anbrüllt, in den fokkin‘ Zug zu steigen, nehmen die Drohungen, Beschimpfungen und Foks in Moffie kein Ende mehr.

Unter der Regie von Oliver Hermanus, dessen Film Beauty 2011 für einen Oscar nominiert wurde und die Queere Palme in Cannes gewann, lief Moffie am Samstag, den 5. September in Berlin im Rahmen des Queer Film Festivals 2020. Das Festival organisierte der deutschen Verleih Salzgeber in Zusammenarbeit mit dem Pornfilmfestival Berlin und dem Berlin Lesbian Non-Binary Filmfest.

Moffie ist eine spannungsvolle Studie über Macht, Sexualität und Race unter der Apartheid. Es ist das Jahr 1981 und die Regierung Südafrikas befindet sich Auseinandersetzungen mit ihren nördlichen Nachbarn, Mosambik und Angola. Nicholas wird zusammen mit seinen weißen Kameraden in die Armee einberufen. Um zu überleben, muss er nicht nur die harte Ausbildung erdulden, sondern auch sein queeres Verlangen vor den anderen verbergen.

Bei bedrohlich klingender Streichermusik, teilen wir Nicholas Furcht vor dem Eintritt in diese Welt brutaler männlicher Rituale. Die Wehrpflichtigen müssen sich den Launen ihres Afrikaaner Sergeants unterwerfen, der sich mit der Verordnung von Klimmzügen und Gewaltmärschen über sie erhebt und Beleidigungen brüllt. Nach einem besonders zermürbenden Treck schüttet er ihre Erfrischungen in den Dreck und schickt sie wieder auf ihren Weg. Die strafenden Torturen müssen klaglos hingenommen werden – Schweigen kennzeichnet hier Männlichkeit, und die Unterwerfung unter die Macht dieser Macho-Figur muss vollkommen sein.

Diese strengen Hierarchien werden neben anderen, ebenso präskriptiven Formen von Verbundenheit unter Männern dargestellt. Hermanus filmt aufmerksam, fast liebevoll, die Faustkämpfe, Oben-ohne-Volleyballspiele, den harten Alkoholkonsum und die Beleidigungen weiblicher Verwandter, die die jungen Männer zusammenbringen, bis man das Testosteron fast riechen kann.

Doch diese Nähe steht immer auf Messers Schneide. Zu viel Nähe zwischen Männern erregt Misstrauen, und schwules Begehren wird rücksichtslos kontrolliert. Diese Gewalt ist verbal, wie in der zu Hauf verwendeten und dem Film gleichnamigen Beleidigung ausgedrückt, und körperlich, wie wir sie in der öffentlichen Bestrafung von zwei in flagranti erwischten Soldaten erleben.

Nervös beobachten wir Nicholas, der durch seine Andersartigkeit isoliert ist. Sein Verlangen ist einsam, das ihm nur in Form von verzweifeltem, einhändigem Vergnügen in der Toilettenkabine oder bei verstohlenen Blicken in der Dusche abgewonnen wird. Als sich etwas mit einem Kameraden (Dylan Stassen) herauszukristallisieren scheint, vergeht dieser Moment in einer blinzle-nicht-oder-du-verpasst-es Anspielung, zu zerbrechlich und gefährlich für Worte. Wir beobachten und warten, vor dem Hintergrund eines dämmrigen Himmels und riesiger, staubiger Berge, die Hermanus mit einer Fülle und Stille filmt, die an Terrence Malick erinnern.

Brummers Darstellung von Nicholas ist nuanciert und untertrieben. Wir haben selten Zugang zu seinem Innenleben oder zu einem großen Teil seiner Hintergrundgeschichte, und doch ist es herzzerreißend zu sehen, wie er sich dieser feindseligen Umgebung stellt, seiner Verletzlichkeit, die für uns so sichtbar ist wie die eines Kindes am ersten Schultag. Es ist also fast schon eine Erleichterung, der Klaustrophobie des Armeelebens zu entkommen und sich irgendwann in eine längere Rückblende aus der Kindheit zurückziehen zu können. Doch auch hier gelten die Erwartungen einer wachsamen, zutiefst konservativen Gesellschaft, und die Erinnerung verdreht sich zu einem albtraumhaften Schauspiel öffentlicher Schande.

Dieses brennende, identitätsstiftende Gefühl der Scham durchdringt die Darstellung queerer Identität in diesem Film. Es hält Nicholas davon ab, sich offen auszudrücken oder sich mit anderen Opfern zu solidarisieren. Sein Überleben hier hängt davon ab, dass er schweigt, verborgen bleibt und sich an das hält, was von ihm verlangt wird.

Diese brutalen Normen sind wiederum Teil der Art und Weise, wie der Film das Thema Race und Komplizenschaft behandelt. Diese militaristischen Männlichkeiten werden letztlich durchgesetzt, um ein rassistisches politisches Regime zu stützen, das seine Forderung nach der Vorherrschaft weißer Menschen (trotz der Spannungen zwischen Afrikaanern und englischsprachigen Gruppen) als geschlechtsspezifischen Aufruf zu den Waffen formuliert. Die weißen Soldaten werden immer wieder auf die Notwendigkeit hingewiesen, ihre Mütter, Schwestern und das gottgegebene Land selbst gegen die Gefahr durch Schwarze Kommunist*innen und Terrorist*innen zu verteidigen.

Obwohl Nicholas sich Dank der gemeinsamen Vorliebe für Sixto Rodriguez (dessen Musik der 1970er Jahren Gegenstand des Oscar-gekrönten Dokumentarfilms Searching for Sugar Man war) mit einem Mitrekrutierten anfreundet, können ihre liberalen Neigungen nicht offen zum Ausdruck gebracht werden. Als weiße Soldaten machen sie sich nach wie vor mitschuldig an der Gewalt der Apartheid, die sie sogar bei ihrer letzten Tour durch die Grenzgebiete weiterführen. Wenn Schwarze Figuren kurz auf der Leinwand erscheinen, wird ihre Anwesenheit als inkongruent, ja schockierend empfunden. Sie erscheinen an den Rändern, umgeben von weißen Soldaten, deren Misshandlungen sie unbeirrbar ertragen müssen, eine weitere unwillkommene Realität, die man nicht sehen darf.

Während die Spannung in den wiederholenden Szenen des Armeelebens teilweise etwas nachlässt und die Isolation de Figuren verhindert, dass wir sie tiefergehend kennen lernen, fängt der Film die Gebrechlichkeit, die Widersprüche und die Verleugnung weißer Männlichkeit eindringlich ein. In dieser Landschaft von Rassismus und Homophobie, begegnen wir Männern, die nicht sprechen und sich nicht mitteilen können, sie können nur kämpfen und sich verstecken.

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